: Volkes Stimme siegt
■ In Westberlin kommen die Straßenumbenennungen nicht voran / Wedding: Ein unbewohnter Platz für NS-Opfer
Während Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) die Straßennamen im Ostteil Berlins längst zur Chefsache gemacht hat, dümpeln die Umbenennungen im Westen weiter vor sich hin. Immerhin konnte sich die Bezirksverordnetenversammlung Wedding gestern dazu entschließen, den Courbièreplatz an der Müllerstraße nach dem katholischen Pazifisten Max Joseph Metzger zu benennen. Der Geistliche hatte an der gegenüberliegenden Sankt-Joseph-Kirche gewirkt und war am 17. April 1944 von den Nationalsozialisten ermordet worden.
Eigentlich sollte zu seinem 50. Todestag am Sonntag die hinter der Kirche gelegene Willdenowstraße umgetauft werden. Doch weil die Anlieger sich kein neues Briefpapier drucken lassen mochten, zog der Bauausschuß schließlich den anwohnerlosen Courbièreplatz vor.
Die Schilder können zwar nicht mehr bis zum Wochenende angeschraubt werden, doch findet Baustadtrat Bernd Schimmler, daß der Platz mit seinem Denkmal für Kriegszerstörung und Wiederaufbau zu einem Pazifisten „gut paßt“. Auch ein Gedenkstein soll her, Schimmler will „gucken, welches Gartenbauamt noch einen Findling übrig hat“.
In Wilmersdorf dagegen schrieben Volksbildungs- und Haushaltsausschuß der BVV ein neues Kapitel in einem seit Jahren schwelenden Streit. Es geht um neun Straßennamen, die die Nationalsozialisten geändert hatten, um Juden aus dem Stadtbild zu verbannen. Daß der Seebergsteig künftig Walter-Rathenau-Straße heißen soll, ist zwar schon beschlossen, aber noch nicht umgesetzt, weil Anwohner klagten. Dagegen kippte nach der letzten BVV-Wahl die neue Mehrheit aus CDU, FDP und „Republikanern“ die bereits beschlossene Rückbenennung von Schellendorfstraße und Dünkelbergsteig in Friedenthal- und Morgenrothstraße.
CDU und FDP verfielen dann auf den Kompromißvorschlag, den Halenseepark nach Karl Rudolf Friedenthal und die Stadtbücherei nach Julius Morgenroth zu benennen. Doch fanden es SPD und Bündnis 90/Die Grünen wenig passend, das Dorado der Freikörperkultur nach dem Gründer der Freikonservativen Partei und den literarischen Ort nach einem Arzt zu benennen. Die Bezirksverordneten wollen nun bis Jahresende versuchen, „geeignetere Institutionen“ zu finden, beschlossen aber, an allen von der NSUmbenennung betroffenen Straßen Zusatzschilder anzubringen.
Vergeblich blieben bislang auch die Bemühungen einer Initiative, die Reichssportfeldstraße am Olympiastadion umzubenennen. Neue Straßennamen für das Tempelhofer „Fliegerviertel“ scheiterten an der CDU, die in der BVV die Meinung vertrat, die Namen seien auch so eine Mahnung gegen den Krieg. Anders im Osten: Der Verkehrssenator stellte dem Bezirk Mitte ein Ultimatum. Das Bezirksamt sieht nach Auskunft von Tiefbauamtschef Peter Lexen keinen Anlaß, darauf zu reagieren: Es gebe dringendere Probleme als Straßenumbenennungen, zudem seien die in diesem Jahr wegen der Wahlen kaum möglich. Haase sagte jetzt auf eine parlamentarische Anfrage, er finde den Standpunkt des Bezirksamts „nicht hauptstadtgerecht“. Ralph Bollmann
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