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Der Handtuchhalter

Der Handtuchhalter ist ein Beispiel jener Gebrauchsgegenstände, welche das Memento mori immerfort vor Augen führen. Er widerspiegelt Moralvorstellungen, wie sie in der frühen Neuzeit geläufig sind. – Körperpflege gehört zu den diesseitigen Alltäglichkeiten; wer sich reinigt und wäscht, ist nicht zu tadeln. Ermahnung scheint dann nötig, wenn zur Reinigung eitles Bewußtsein hinzutritt, das glauben machen möchte, körperliche Schönheit sei unvergänglich. Sie ist es nicht. Was einen Moment erblüht, wird doch wieder vergehn; und vielleicht ist das Ende gerade dann, wenn die Schönheit ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheint, besonders nahe. – Solche Gedanken führt die prächtig geschmückte Figur dem, der sich am Handtuch, das sie hält, trocknen will, bildlich vor. Sie vereint Leben und Tod in ergreifender Gleichzeitigkeit: Dem verführerischen Antlitz mit den aufgeworfenen weichen Lippen, dem sanften Blick und dem gepflegt gewellten Haar antwortet ein kahlköpfiger Schädel mit finstrer Augenhöhle und wüstem Grinsen; die Kleidung und der Schmuck des bildschönen Oberkörpers finden ihre Ergänzung im nüchternen Skelett, um das sich, als sei sie die Fortsetzung der Halskette, eng anliegend eine Schlange windet. Halb blühende jugendliche Frau, gekrönt und vornehm gekleidet, halb Gerippe und von Gewürm umschlungen: Unter diesen beiden Aspekten zeigt der Handtuchhalter, wie Leben und Tod als untrennbare Einheit zu denken sind, wie unmittelbar und gegensätzlich doch das eine dem anderen folgt.

Auszug aus dem Katalog, der zur Ausstellung „Himmel Hölle Fegefeuer“ im Verlag der Neuen Zürcher Zeitung erschienen ist.

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