: Die Macht
■ Die Hochschulgesetze in Neufünfland Zwangsexmatrikulation und Regel-
Die Erneuerungsphase ist abgeschlossen. Als letzter ostdeutscher Landtag verabschiedete das mecklenburg-vorpommerische Parlament im Februar ein neues Hochschulgesetz. Das Land übernahm dabei hinsichtlich der sprachlichen Formulierung eine Vorreiterrolle: In dem Gesetz ist ausschließlich von der Kultusministerin die Rede. In anderen Teilen sind dagegen die neuen Hochschulgesetze im „Beitrittsgebiet“ wenig innovativ und setzen vielfach noch stärker auf Zwang und Autorität als das im Dezember 1993 novellierte Berliner Hochschulgesetz.
Allzu frei waren die Länderparlamente in ihren Entscheidungen nicht. Bundesweit gibt das Hochschulrahmengesetz (HRG) viele Regelungen vor. So ist dort die bekannte Professorenmehrheit in allen entscheidenden Gremien der Hochschule festgelegt.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern können schon mal darüber entscheiden, ob man an einer Uni zugelassen wird oder nicht. Während in Brandenburg mit Ausnahme der Babelsberger Filmhochschule das Abitur als Zulassungsvoraussetzung ausreicht, dürfen das Dresdner und das Schweriner Kultusministerium auf Vorschlag der Hochschule weitere Anforderungen an das Abiturzeugnis festlegen. Wer sich als Oberstufenschüler nicht für die vorgeschriebenen Fächerkombinationen entschieden hat, kann dann bestimmte Fächer nicht studieren.
Doch auch in anderer Hinsicht ist das sächsische Hochschulgesetz repressiv: StudentInnen, die sich nicht auf „unverschuldete Gründe“ berufen können, werden vier Semester nach Überschreiten der Regelstudienzeit automatisch exmatrikuliert, ebenso nach der Zwischenprüfungsfrist, bei der es keine Karenzzeit gibt.
In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wird eine bestimmte Überschreitung der Fristen als nicht bestandene Zwischen- oder Abschlußprüfung gewertet, wobei es in der Regel nur eine Wiederholungsmöglichkeit gibt. Und in Berlin wurde im Dezember die Zwangsberatung in das Hochschulgesetz aufgenommen, an der man nach Ablauf bestimmter Fristen teilnehmen muß, um rückgemeldet zu werden. Das Berliner Recht legt andererseits ausdrücklich fest, daß der Prüfungsanspruch mit der Exmatrikulation nicht verlorengeht.
Noch früher rausfliegen kann man in Thüringen. Hier schreibt das Gesetz vor, daß Studierende, die sich nicht rechtzeitig zurückmelden, nicht – wie in den anderen Ländern – exmatrikuliert werden können, sondern müssen.
Die Furcht vor Störungen der Gremiensitzungen war bei den UrheberInnen der Gesetze offensichtlich sehr unterschiedlich. In Berlin und Brandenburg tagen alle Gremien in der Regel öffentlich. Ausgenommen sind wie überall Personalangelegenheiten. Außerdem kann die Öffentlichkeit auf Antrag ausgeschlossen werden – „zur Vermeidung von Störungen“, wie es im Brandenburger Gesetz heißt.
Immerhin hochschul- beziehungsweise fachbereichsöffentlich sind die Sitzungen des Senats und der Fachbereichsräte in Thüringen. In den anderen drei Ländern ist Nichtöffentlichkeit die Regel. Am strengsten ist das sächsische Gesetz. Dort muß die Herstellung der Öffentlichkeit mit Zweidrittelmehrheit in geheimer Abstimmung beschlossen werden. Und dann sind auch nur bestimmte Teile der Senatssitzung öffentlich.
In Berlin sind unter dem rot- grünen Senat beratende Kommissionen auf Fachbereichsebene eingerichtet worden, die zur Hälfte von StudentInnen besetzt waren. Aufgabe der Kommissionen ist es, über Lehre und Forschung zu beraten. Lediglich in Thüringen findet sich eine vergleichbare Regelung, die den Studierenden in solchen Kommissionen drei Sitze garantiert – gegenüber fünf Profs und einem Mitglied des Mittelbaus.
Auch die Möglichkeiten „studentischer Selbstverwaltung“ sind in den neuen Gesetzen unterschiedlich festgelegt. Das vorsichtig formulierte allgemeinpolitische Mandat des Berliner Gesetzes finder Gesetze sind vor allem repressiv / studienzeiten sind selbstverständlich
det sich in den neuen Ländern nicht. Die ebenfalls in Berlin gewährte Anerkennung von Vollversammlungen als Organ der „Studentenschaft“ ist in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern immerhin indirekt im Gesetz verankert. In dem Küstenland ist sogar festgelegt, daß Urabstimmungen bindende Wirkung gegenüber dem studentischen Parlament (Stupa) und dem Allgemeinen StudentInnen-Ausschuß (Asta) haben.
Die sächsischen Studis wählen – wie schon zu „Ost-Zeiten“ – einen Studentenrat nicht in Urwahl, sondern indirekt durch „Fachschaften“ an den einzelnen Fachbereichen. Gleich zwei Urwahlen (auf Fachbereichs- und Hochschulebene) gibt es in Sachsen-Anhalt. Dort haben die ParlamentarierInnen jedoch die Selbstverwaltung nachhaltig geschwächt: Die Mitgliedschaft in der „Studentenschaft“ ist freiwillig, so daß viele Studierende wegen der Pflichtbeiträge einfach erst gar nicht eintreten.
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Not können sich dagegen die Selbstvertretungen der thüringischen StudentInnen freuen: Wer exmatrikuliert wird, aber aus sozialen Gründen weiterhin den StudentInnenstatus benötigt, kann nach dem Gesetz ein Jahr lang zum Schein immatrikuliert bleiben – natürlich gegen Entrichtung der fälligen Beiträge. Matthias Fink
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