Historischer Countdown in Südafrika

■ Mandela und de Klerk beim TV-Duell versöhnlich

Johannesburg (taz) – Nelson Mandela, der Vorsitzende des „African National Congress“ (ANC), ergriff vor laufenden Fernsehkameras die Hand von Südafrikas Staatspräsident Frederik W. de Klerk und sagte: „Trotz aller unserer Meinungsverschiedenheiten bin ich stolz darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten.“ Der Fernsehauftritt am Donnerstag abend war als Diskussionsduell geplant, aber trotz gegenseitiger scharfer Attacken übermittelten die beiden Politiker nach vierjährigem Verhandlungspoker den Südafrikanern: Der letzte Countdown zur Abschaffung der jahrzehntelangen Apartheid läuft.

Zehn Tage noch, und die Rollen werden vertauscht. Mandela wird Staatspräsident und de Klerk sein Juniorpartner. „Wir stehen vor einer neuen Ära“, hatte de Klerk erst am Mittwoch nach der letzten Kabinettsitzung im „alten Südafrika“ erklärt. Seine Ministermannschaft wird sich nur noch einmal in altvertrauter Runde im Union-Building von Pretoria wiedersehen: Wenn die Auflösung der weißen Minderheitsregierung und die Machtübergabe an eine Regierung der Nationalen Einheit auf dem Programm steht.

Die Symbole des Apartheid- Staates werden schon vorher ihre Bedeutung verlieren. Am 26. April wandert mit dem Startschuß zur ersten demokratischen und allgemeinen Wahl 351 Jahre nach Ankunft der Europäer am Kap der guten Hoffnung die bisherige südafrikanische Fahne ins Museum. An ihre Stelle tritt eine neue „Übergangsflagge“. Wie lange sie von Fahnenmasten wehen wird, hängt von der 400köpfigen Nationalversammlung ab, die zwischen dem 26. und 28. April gewählt wird. Die „Stem“, die Nationalhymne des weißen Südafrika, wird zwar nicht abgeschafft, aber ab den Wahlen singen die SüdafrikanerInnen zu offiziellen Anlässen auch „Nkosi Sikele“, Freiheit für Afrika.

„Vor vier Jahren waren de Klerks Reformankündigungen so aufregend und neu“, sagt die 32jährige Angela Whitney, „jetzt passiert es alles tatsächlich. Es ist irgendwie unheimlich und unglaublich.“ Dieses Gefühl muß auch einige der Polizisten beschleichen, die am heutigen Samstag zur letzten Parade antreten, bei der Polizeiminister Hernus Kriel Auszeichnungen verteilt. Wenige Tage nach der Wahl, am 5. oder 6. Mai, wird auch endgültig das altehrwürdige Parlament in Kapstadt neue Mitglieder aufnehmen. Der erste Akt der dann überwiegend schwarzen Parlamentarier wird vorraussichtlich die Wahl von Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas sein. Für den 10. Mai ist dann die Vereidigung im Amphitheater des Union Buildings von Pretoria geplant.

Selbst die Fernsehdebatte zwischen Mandela und de Klerk war eine „historische Premiere“. Denn erstmals präsentierten sich die beiden, die im letzten Jahr für ihre Demokratisierungsbemühungen gemeinsam den Friedensnobelpreis erhielten, zum Schlagabtausch. Vor eineinhalb Jahren noch wäre auch Mangosuthu Buthelezi, der Chef der konservativen Schwarzenbewegung Inkatha, zu einer solchen Debatte eingeladen worden. Noch sitzt er in der Stadt Ulundi und will die Wahlen boykottieren. Doch selbst sein Amtssitz im Schwarzenreservat KwaZulu wird mit den Wahlen aufgelöst.

Buthelezi bemühte sich vergeblich, den historischen Countdown zum Startschuß für das „Neue Südafrika“ ohne Rassendiskriminierung zu stoppen. Doch das ist keine Garantie, daß er mit seinen Anhängern nicht die Bewältigung der Aufgabe verhindern kann, die Mandela und de Klerk als vordringlichste Pflicht für die die kommenden fünf Jahre bezeichneten: „Versöhnung und Aufbau einer Nation.“ Willi Germund