: König Farouk und ein Zelluloid-Pferd in der Kneipe Von Ralf Sotscheck
Wenn es darum geht, den Leuten das Geld für einen guten Zweck aus der Tasche zu ziehen, entwickeln die IrInnen verblüffende Ideen. Die meisten basieren darauf, schamlos die Schwächen der Landsleute auszunutzen – zum Beispiel die Wettleidenschaft, Pferdebegeisterung oder Trinkfreudigkeit. Am wirkungsvollsten ist freilich eine Kombination: etwa ein Pferderennen in einer Kneipe, bei dem auch gewettet werden kann. Unmöglich? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sagten sich die Mitglieder der „Peter Pringle Support Group“. Der heute 55jährige Pringle war 1980 in Dublin wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde jedoch in eine Gefängnisstrafe von 40 Jahren umgewandelt. Seine Verurteilung stützte sich nur auf eine Aussage, die er beim Polizeiverhör gemacht haben soll. „Ich weiß, daß Ihr wißt, daß ich daran beteiligt war, aber Ihr müßt es beweisen“, heißt es in den Verhörnotizen. Pringle hat nach eigenen Angaben jedoch gesagt: „Ich weiß, ihr glaubt zu wissen, daß ich es getan habe...“ Darüber hinaus ist die Reihenfolge der Eintragungen im Polizeinotizbuch offenbar vertauscht worden. Die forensische Untersuchung, die ans Tageslicht bringen könnte, daß die Notizen nachträglich verändert worden sind, kostet umgerechnet 15.000 Mark. Dazu sollten die Pferde im Pub ihren Teil beitragen. Echte Gäule, ja selbst Shetland-Ponys, kamen natürlich nicht in Frage.
So besorgten sich die Organisatoren Filme von unbedeutenden Pferderennen in den USA aus den fünfziger Jahren. Nachdem die acht Pferde im Vorspann zu jedem Rennen mit Nummer und Tagesform vorgestellt worden waren, hielt man den Projektor an, so daß die Wetten plaziert werden konnten. Erst dann wurde das Rennen gezeigt. Dabei ging es zu wie auf einer richtigen Rennbahn. Jeder feuerte den Gaul lautstark an, auf den er gesetzt hatte, obwohl das Tier vermutlich längst beerdigt war und der Ausgang des Rennens ohnehin feststand. Weiteres Geld floß für die gerechte Sache, da man die Zelluloid-Pferde auch „kaufen“ konnte. Wer ein Tier erwarb, durfte nicht nur das Preisgeld einstreichen, falls es gewann, sondern konnte dem Pferd außerdem einen Namen geben. Dabei waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Vom „Schwulen Phoenix“ über „Er ist unschuldig“ bis hin zur „Tochter des Bischofs“ war alles vertreten. Ebenso abenteuerlich waren allerdings die Namen der Sponsoren. Neben ein paar Kleinunternehmen gab es erstaunlich viele Pseudonyme. So gehörte ein Pferd angeblich König Farouk, ein anderes dem „Sohn von Sam“ und ein drittes „Harry, dem Hasen“.
Der Grund für die Geheimnistuerei wurde bald deutlich. War die Kneipe anfangs nur dünn besetzt, so änderte sich das nach dem ersten Rennen, als 15 Männer in dunklen Anzügen und ebensolchen Mienen den Pub betraten und sich um die Theke gruppierten. „Da stehen dreihundert Jahre Knast an der Bar“, raunte mir mein Nachbar zu. „Die kennen Pringle alle aus dem Gefängnis und wollen ihr Scherflein zu seiner Freilassung beitragen.“ Wie der ehemalige Bürgermeister von Liverpool in die Kneipe geraten war, ist dagegen unklar. Jedenfalls fühlte er sich pudelwohl, nachdem er ein hübsches Sümmchen am Wettschalter eingestrichen hatte. Für Pringle blieben 2.700 Mark übrig.
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