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Boden hat einen Beschützer

Wer Umweltgifte vergraben hat, muß sie wieder ausbuddeln / Mit neuem Gesetz sollen sogar „unschuldige“ Eigentümer zur Kasse gebeten werden  ■ Von Dirk Wildt

Daß Grundbesitzer auch noch von Umweltsauereien aus der Vergangenheit profitieren, will der Senat künftig verhindern. Bislang braucht der Käufer beim Erwerb der durch Blausäure oder Altöl verseuchten Böden nur einen Spottpreis zahlen und mit Hinweis auf die Bodenverunreinigung eine öffentliche Sanierung verlangen. Wenn die Umweltverwaltung die Altlast – etwa durch den teuren Austausch von Boden – saniert hat, ist die gereinigte Immobilie plötzlich sehr viel mehr wert. Mit diesem Reibach soll jetzt Schluß sein. Kann kein Verursacher mehr ausgemacht werden, muß künftig der aktuelle Besitzer den Schaden wiedergutmachen – falls er beim Kauf von der Altlast wußte. War er nichtsahnend, muß er wenigstens den Spekulationsgewinn nach der Sanierung durch die öffentliche Hand abtreten. Das sieht ein Bodenschutzgesetz vor, das gestern der Senat beschloß. Bislang haben nur Sachsen und Baden-Württemberg ein vergleichbares Gesetzeswerk in Kraft gesetzt.

Weil das Gesetz rückwirkend gilt, werden auch diejenigen nur noch unruhig schlafen können, die ihre sorglose Entsorgung längst vergessen haben. Erstmals sollen die Eigentümer zur Verantwortung gezogen werden, die vor beispielsweise 20 Jahren durch einen Produktionsbetrieb Gift in den Boden sickern ließen – sowie deren Rechtsnachfolger. Diese Regelung sei deshalb bedeutend, sagte gestern Umweltsenator Volker Hassemer (CDU), weil Verunreinigungen oft über einen Zeitraum von vielen Jahrzehnten entstanden sind. Kommen mehrere Personen als Verschmutzer in Frage, entscheidet die zuständige Behörde nach Ermessen.

Von rund 4.500 Flächen sollen Gefahren für das Trinkwasser drohen, von denen ein Großteil sich innerhalb des Urstromtals befindet. Rund fünf Milliarden Mark soll der Bodenaushub und die Bodenreinigung kosten. Weil sich der Bund bei der Sanierung der Altlasten im Ostteil der Stadt beteiligen muß, fallen für Berlin die Kosten auf rund drei bis dreieinhalb Milliarden Mark.

Unwissenheit soll ebenfalls bald nicht mehr vor Strafe schützen. Wer es unterläßt, die zuständigen Behörden von Umweltunfällen zu unterrichten oder Verwaltungsmitarbeiter mit Einweckglas und Pipette am Betreten von Grundstücken hindert, muß mit einer Buße von bis zu 100.000 Mark rechnen. Den drohenden Aufschrei der Wirtschaft – umweltgefährdende Entsorgung ist meist die billigere – versuchte Hassemer schon im Ansatz zu ersticken: „Das Bodenschutzgesetz schafft die notwendige Sicherheit für Investitionen und die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen.“

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