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Gefallene Engel

■ „The Angelic Conversation“ von und mit Derek Jarman

Die Konversation zwischen Engeln (1985 auf Super 8 gedreht) ist vielleicht nicht nur der strengste Film Jarmans, es ist vor allem der, der ihm am meisten am Herzen lag. Er exponiert eine Form, die Jarman als „Kino der kleinen Gesten“, eine Verstärkung kleinster Bewegungen in einer Art Zeitrafferaufnahme, definierte.

Es geht um Shakespeare, und es geht um Liebe. Schon in seiner angepunkten Adaption von „Der Sturm“ hatte Jarman in einem Shakespeare-Text eigene visuelle Visionen wie auf einer Projektionsfläche metaphorisiert. In „The Angelic Conversation“ sind es 14 Sonette, die sich an schöne Jünglinge richten, gelesen von Judi Dench, deren priesterinnenhafte Stimme das Off lebendig werden läßt. Jarman und Shakespeare bilden, wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, nur zwei Drittel eines artistischen Triumvirats, das erst durch die Musik von Coil perfektioniert wird: mächtiges Metallgeklingel wie von Kirchenglocken, halb gregorianisierendes Summen, aber doch zu artifiziell und minimalistisch, um Lehren zu verkünden.

„The Angelic Conversation“ setzt ein mit zerhackten Standbildern von männnlichen, übrigens sehr schönen Profilen, Atemgeräuschen und dem Gurgeln von Wasser. Aus ihm kommt, in ihm endet alles, na man weiß schon... Ein Mann trägt auf seinen Schultern eine Last durch eine Steinwüste, und ein grober Dummkopf muß schon sein, wem dabei nicht der berühmteste religionsstiftende Lastenträger der Geschichte einfällt. Das herbe Stakkato der Bilder, die im fragmentierten Innehalten immer nach etwas zu suchen scheinen, strotzt nur so von christlichem Beziehungsreichtum. Da kreuzen sich Haut und schwarzer Stoff in Erlöser-Diagonalen, ein anderer Mann schleppt einen Stamm, Kelche wie Kerzen werden gereicht, und Licht, das dreieckig aufgefächert über ein schmales Gesicht fällt, sakrifiziert die zarteste schwule Liebesgeschichte – ein „Schattenbild, das durch Schatten bricht“, in diesem Fall die Schatten gegenkatholischer Symbolik.

So wie sich Göttlichkeit zur Metapher für irdische Liebe erweitert, so reduziert sich die Farbskala des Films auf Schwarz, Weiß, Gelb und Blau. Jarman auf seinem weiten Weg zu „Blue“. Schattenbilder und Überblendungen von Licht und Wasser zu sphärischen Gesängen, mittendrin zwei Männer, die wie Giganten im Liebeskosmos eine heilige Kommunion der Körper und Seelen zelebrieren.

Daß auch das Böse nicht fehlt, macht die ganze Jongliererei mit der Bildung nicht nur vollständig, sondern auch herzlich lustig. In Flammenhöllen kämpft man, und aus dem Dunkel wird, wie es sich gehört, zum Licht – der Sinne – aufgestiegen. Halleluja für diese Sinfonie ungeläuterter Kreatürlichkeit, diesen Himmel des Teuflischen! Am Ende gibt es gar eine rituelle Waschung zu besichtigen; dem Erwählten ist ganz logisch- verkehrt ein kunstvoller Satan auf die stramme Brust gemalt. Siehe, der Herr ist gekommen, und das sehnende Fleisch wird in einem endlosen Kuß erlöst. Geburt und Tod, Leib und Geist finden in jenem arkadischen Garten der Schlußsequenz zusammen, in dem die schönsten aller elegischen Knaben herumhüpfen.

Die Botschaft? Vielleicht: „Laß nicht zu, daß Liebeseifer träge wird.“ Lilien, Blüten, Sommer, Finis. „The Angelic Conversation“ ist so etwas wie ein Ecce-Homo- Film, eine Ode an den Menschen, das All und die Liebe, erhaben, pathetisch, witzig und sehr, sehr sophisticated. Anke Westphal

Derek Jarman, „The Angelic Conversation“, Engl., 1985, 78 Min., OmU, mit Paul Reynolds, Philip Williamson, gesprochen von Judi Dench. Startet heute in Berlin, bundesweit am 19. Mai.

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