: Berti und der Kanzler
■ Gemeinsam sind sie stark
Hans-Hubert Vogts wird mit kleinem i geschrieben – Berti. Auch sonst ist an dem Manne, der die vaterländischen Balltreter zum WM-Titel führen soll, manches klein geraten. Ein „Kleinbürger“ sei er, hallte es ihm aus dem Blätterwald entgegen, als der Arbeiter Berti 1990 auf den Kaiser Franz folgte: „Trainingsanzug statt Sakko“, moserte die an Erlesenes gewöhnte Presse bei seinem Regierungsantritt im Reich von König Fußball. Ein Rollenspiel, das der Bundestrainer, immerhin um vier Jahre Erfahrung gewachsen, heute in einem Interview der Stuttgarter Zeitung in schönster Gelassenheit selbst bestätigt: „Franz hat Gaben, die ich nicht habe. Wo er auftaucht, ist schönes Wetter.“ Ihm werde schließlich schon als negativ angelastet, „daß ich immer noch mit der gleichen Frau verheiratet bin“. Der 48jährige kann aber mit der öffentlichen Meinung ganz gut umgehen. Nicht umsonst hat ihm sein Freund, der Bundeskanzler, („wir freuen uns immer wieder, wenn wir uns sehen“) den ernsthaften Tip gegeben, man solle die Medien nicht mehr so ernst nehmen: „Was man heute liest, ist morgen schon Vergangenheit.“ So etwas baut auf. Beide verbindet doch einiges. Vogts: „Er hat ein schweres Jahr vor sich, ich auch. Für beide kann es schlecht enden.“
Dunkle Momente indes pflegen den gläubigen Christdemokraten Vogts, der sich neben einer großen Koalition durchaus auch eine schwarz-grüne vorstellen könnte („damit mein Sohn bald wieder im Rhein schwimmen kann“), in normalen Jahren nur im November zu befallen. Dann, wenn das Volk an den dafür geschaffenen Feiertagen kirchlich zur Trauer verpflichtet wird: „Da fällt man in ein Loch.“ In Zeiten dieser „Depression“ flieht Frühwaise Berti für eine Woche nach New York oder stapft auf den Friedhof und sucht Ansprache am elterlichen Grab. „Aber ich will nicht klagen.“
Nein. Und damit bei seinem Dahinscheiden alles geregelt ist, hat sich der brave Berti, der Steuerflüchtlinge sanft zur Rede stellt („Wenn alle Deutschen nach Monaco gingen, was würde dann passieren?“), schon mit 28 Jahren ein Büchlein (Titel: „Wie mache ich mein Testament“) ins Regal gestellt: „Oder wollen Sie, daß alles an den Staat geht?“ Seinen Kickerjungs ist der einmal jährlich trauernde Sohn Berti offenbar kein gestrenger Vater. „Ich habe nur eine Sanktionsmöglichkeit, sie beim nächstenmal nicht zu nominieren.“ Daß er oft für die Meinungsmache benutzt wird, weiß auch Vogts: In den Medien (Anm.: die man nicht lesen sollte) pusche ein Trainer seine Spieler schon mal in die Nationalmannschaft, um dem Bundestrainer hernach im persönlichen Gespräch zu gestehen, alles Taktik: „Berti, ich kann sie doch nicht schwach machen.“ coh
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen