■ Kaum zu glauben: Getarnte Müllverbrennung
Die Umweltabteilung der Europäischen Union (EU) hat die Bundesregierung bei der trickreichen Umbenennung einer Sondermüll-Verbrennungsanlage erwischt und deshalb ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Die Hoechst-Tochter Riedel de Häen plant im niedersächsischen Seelze eine Anlage, in der Sondermüll aus ihrer Produktion verbrannt werden soll. Gleichzeitig will Riedel de Häen Brom und andere Chemikalien zurückgewinnen.
Die Bundesregierung nennt das Ganze „thermische Oxidation“. Die durch eine Beschwerde einer örtlichen Bürgerinitiative alarmierte Umweltdirektion der EU ließ sich davon nicht beeindrucken und bemängelte, dieser Begriff „besagt nichts anderes, als daß Verbrennungsvorgänge stattfinden“. Dafür schreibt die EU aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor, die Deutschlands Behörden von Riedel de Häen jedoch nicht verlangten.
Auch das deutsche Argument, es handle sich „nicht um eine Abfallbeseitigungsanlage, sondern um eine Anlage zur Verwertung von Reststoffen“, beeindruckte die Europäer nicht. Die EU gab den Deutschen eine Selbstverständlichkeit noch mal schriftlich: Auch wenn nebenbei Stoffe zurückgewonnen werden, bleibt eine Verbrennung eine Verbrennung, am Umweltrisiko ändert sich nichts.
In Deutschland gilt die Anlage hingegen auch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung als ökologisch besonders förderungswürdig: Die niedersächsische Landesregierung will die Anlage mit vier Millionen aus ihrem Ökofonds bezuschussen, die Bundesstiftung Umwelt noch mal den gleichen Betrag drauflegen.
Klaus Töpfers Umweltministerium war nicht bereit, zu den Vorwürfen der Europäischen Union Stellung zu nehmen.
jp
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