: Zur Illusion gewordene Hoffnungen
■ betr.: taz-intern, Beiträge zur Jubi läumsausgabe
Für Außenstehende LeserInnen ist Euer Streit um Michael Sontheimer nicht nachvollziehbar. Euren „Rechts-Links-Schubladenkommentar“ sowie die Gorlebenkarrikatur dazu fand ich sehr daneben. Meine persönliche Meinung: Ruhig mal etwas Haue und Selbstkritik statt satte Selbstzufriedenheit. Georg Janßen, Lüneburg
Als ich Micha Sontheimers Artikel las, dachte ich, ein Glück, es gibt also auch innerhalb der taz noch jemanden, der eine Entwicklung Richtung rechts sieht und kritisiert.
Es gab in den letzten Jahren viele Artikel und Kommentare von taz-Autoren, über die ich erschrocken war. Positionen, die überall zu hören sind – das ist nicht der Grund warum ich die taz lese.
Ich meine zum Beispiel Tissy Bruns SPD-rechtsaußen. Positionen Atommüll nach Sibirien oder die ständige Einhämmerung von „Militär nach Bosnien“ (und den eigenen Sohn...). Mich hätte gerade zum letzten Thema viel eher interessiert, wie dieser Krieg entstanden ist und die Suche nach jedem noch so kleinen Gegenmittel unterhalb der Schwelle militärischen Eingreifens.
Es gab bestimmt eine große Bereitschaft zu helfen hier im Lande, gibt sie noch. Die taz hätte sehr gut anregen und koordinieren können um eine Bewegung zu initiieren unterhalb der Schwelle militärischen Eingreifens. Diese ganze Diskussion hat auch sehr gelähmt.
Viel beklagt wird der Identitätsverlust der sogenannten Linken. Ich denke, das Problem liegt darin, daß Linke sich keine Ideale und Utopien mehr zutrauen. Auch die Grünen gehen ja heute mehr und mehr vom Machbaren aus. [...]
Ihr beklagt, daß es keine sozialen ökologischen Bewegungen mehr gibt. Vielleicht habt Ihr sie aber auch einfach übersehen, weil sie keine spektakulären Großaktionen machen, weil durch die Grünen die öffentliche Wirkung gebunden wurde?
Eine Anregung noch: eine gute Jugendredaktion mit echten Jugendlichen drin wäre besimmt eine feine Sache. Auch habe ich an der Frauentaz zum 8. März gemerkt, wie viele interessante Frauenthemen es doch gibt...
Ich bitte Euch sehr darum: bewahrt der taz die Vielfalt links von Joschka Fischer und die Ironie und Lebendigkeit! Heide V. aus S.
Als taz-Leser von Beginn an fällt es mir nicht leicht, mein Abo zu kündigen – weniger weil mir die Zeitung in letzter Zeit gut gefiel, sondern weil sie immer noch für die Hoffnung stand, sie könne wieder werden, was Michael Sontheimer in seinem Artikel vom 16.4. formulierte: ein unabhängiges, „politisch anderes“ Oppositionsblatt. Nun aber ist Michael Sontheimer genau wegen dieses Beitrags gefeuert worden, und der moral majority der Redaktion dient Sontheimers Kritik und seine Entlassung nicht als Anstoß zur Auseinandersetzung, sondern als Stoff für Party- Jokes.
Die Tendenzwende zum postlinken Schicki-Micki-Blatt scheint unumkehrbar, meine Hoffnung ist zur Illusion geworden. Die von der moral majority künftig zu erwartende Richtung entnehme ich der Liste der Ankunftstationen ehemaliger taz-Journalisten: Ein Mix von Cosmopolitan bis Focus. Und dafür soll ich einen politisch motiviert besonders hohen Abo-Preis zahlen? Schade: die klugen Analysen von Christian Semler, Martin Kempe, Werner Raith und einigen anderen werden mir fehlen. Aber vielleicht finden die sich ja demnächst auch bei soliden, kritischen und ohne postlinke Schädigungen liberalen Zeitungen wie der Frankfurter Rundschau und dem Tagesspiegel wieder. Mit Trauer und Bedauern Bodo Zeuner, Berlin
Daß bei der taz-Redaktion ein Artikel einen Sturm der Entrüstung auslöst und zur Ablösung des Chefredakteurs führt, der überall nur noch ein Gähnen hervorruft, ist wirklich erstaunlich.
Spätestens seit Erscheinen des Buches „taz-Sachen“ wissen alle Interessierten um die Anpassung der taz an den rechten Zeitgeist. Der Autor dieses Buches Oliver Tolmein fehlt sicher nicht zufällig in der Liste der RedakteurInnen, die die taz verlassen haben. Er hatte nicht wie die Beschriebenen bei Kapital- oder Zeitgeistblättern Karriere gemacht, sondern bei Zeitungen und Magazinen, wie der konkret, die noch einen linken Anspruch haben.
Ist das Nichterwähnen nicht ein Retuschieren der eigenen Geschichte? Peter Nowak, Berlin
Ist Michael Sontheimer selbstgerecht und leidet er unter falscher Selbsteinschätzung? Gibt es einen kollektiven Minderwertigkeitskomplex und ist die taz-Redaktion davon befallen? Wo sind die Moralisten der taz? Was hat die taz-Redaktion gegen Irish-Moos? Fragen über Fragen, zu deren Beantwortung die Stellungnahmen der Redaktion und der Vorstandsmitglieder noch weniger als gar nichts besagen. Matthias Monninger, Stuttgart
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