■ Deutschlands erster Hanfladen hat in Berlin eröffnet:: Jede Menge Stoff aus Cannabis
Berlin (taz) – Von Schöneberg aus wird die Menschheit beglückt. Dort, in der Eisenacher Straße Nr. 71, wurde am Freitag ein kleiner, unscheinbarer Laden eröffnet, der den Planeten umwälzen soll wie die Erfindung der Dampfmaschine oder die Texte von Karl Marx. Und irgendwann werden Chronisten einen neue Bibel schreiben mit dem ersten Satz: „Am Anfang war die Mütze, und die Mütze...“
Die Geschichte geht so: Eines Tags bekam Mathias Bröckers, Dienstag-Kolumnist dieser Seite, von Jack Herer ein Baseballkäppi geschenkt. Nichts Besonderes eigentlich, aber das Ding war aus Hanf gefertigt (originell!), und jeder wollte es ihm abschwatzen. Also mußte Nachschub bestellt werden in den USA, nebenbei geriet das Hanfbuch von Herer/ Bröckers bei 2001 zum Bestseller, und langsam wuchs aus der banalen Kopfbedeckung eine Idee.
So kam es also, daß sich nun zwei Fernsehteams und ein Dutzend Journalisten in einem bescheidenen Verkaufsraum drängelten, um der Geburt des „HanfHauses“ beizuwohnen. Gleich neben dem Schaufenster lagerten mehrere große Ballen Stoff, aber wer nun an die Freak Brothers denkt und schon überdimensionale Joints qualmen sieht, irrt. Gedealt wird hier zwischen bordeauxrot marmorierten Wänden nur mit Textilien, Papier, Kosmetika – alles aus Cannabis sativa gewonnen.
Im Regal die Produkte: Schnurknollen verschiedener Stärke bis bleistiftdick, Kappen (DM 30) grau und beige, Oberhemden, wie Mahatma Gandhi sie trug, Westen, lange weiße Kleider (erotisch geschlitzt!) aus der Designer-Linie „Maria Giovanna“, förstergrüne Shirts, Jeanshosen (DM 179) und -jacken (DM 269), ja Geldbörsen (DM 28) und Lippenbalsam (DM 9) sogar. Am Kleiderständer hängt modisches Gehanfe.
Vorsichtig, wie es das Betäubungsmittelgesetz gebietet, nähert sich der Reporter den Produkten. Bläht die Nüstern und schnüffelt am aralblauen Hemd: riecht wie Baumwollsocke. Manches sieht recht grob gewirkt aus, grad wie die Säcke, in denen Kaffee oder Mais aus Mittelamerika verpackt ist. Die Qualitätsprobe an Jacke... Na ja: Claudia Schiffers zarte Haut wäre nach einer Stunde im Hanflook wie mit Schmirgelpapier bearbeitet. Dafür verspricht das Prospekt für die Jeans extreme Reißfestigkeit: „2.000 N“ (will sagen, an jedem Hosenbein könnten 1.000 Nashörner ziehen).
Bröckers steht am Hanfpult aus Stengelfaser, Hanfbinder um den Hals, und füttert sich mit Hanfsamen („schmeckt nussig“). Schon sieht der Visionär die Produktpalette auf 50.000 schwellen, alle aus „regionalem Anbau“ (noch verboten!), längst hört er den Lockruf der Vögel aus Brandenburger Cannabisfeldern: „Ök-ök.“ Denn dies sind die Fundamente, auf denen Epochales wachsen soll: Ökonomie und Ökologie.
Nur wenn Profit winkt, wird sich die Hanfidee durchsetzen, und Deutschlands größter Papierhersteller (Umsatz: 1,5 Milliarden Mark) ist schon eingestiegen. Keine Pestizide, keine Herbizide, Wachstumszeit 100 Tage, nahrhaft wie Soja, anbaufähig von Nowosibirsk bis Buenos Aires: alle Transportwege beim „Bio-Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ (Hanf Haus-PR) entfallen... – nun, das turnt an, nicht wahr? Und die Klamotten? Einfach ein Stückchen Krawatte ins Pfeifchen stecken...? Nix da: Wer von THC-armem Nutzhanf high werden will, muß die gewaltige Menge von 30 Kilo rauchen – ein Kifferalptraum.
Es ist vorerst nur die Idee von der großen Hanfrevolution, die berauscht. Herr Thömmes
Kontakt: HanfHaus, 10823 Berlin, Eisenacher Straße 71, Tel.: 030/614 98 84, Fax: 030/781 20 47
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