piwik no script img

Unterm Strich

Meine Damen und Herren, schütteln Sie die Sofakissen auf und legen Sie die guten Trüffel bereit: Die dritte Grisham-Verfilmung eines Justizskandals steht ins Haus, und wie uns der Spiegel versichert, lesen Sie's immer wieder gern. Nach „Die Akte“ und „Die Firma“ geht es in „The Client“ (Sie dürfen jetzt mal raten, wie der deutsche Titel wohl ausfallen möcht') um einen kleinen Kerl, der einen Mobster beim Selbstmord beobachtet hat und der mit seiner Aussage das Rätsel um den Tod eines Senators lösen könnte. Das wiederum würde Bösmann Jones seine Karriere kosten, was der nicht gut findet. Nun, so gibt ein Wort das andere, und hast du nicht gesehen muß Susan Sarandon einschreiten und sich unter dem Namen Reggie Love als Anwältin des Richtigen und Wichtigen ein wenig einmengen. Cinema berichtet, daß Regisseur Joel Schumacher, der inzwischen ein wenig an einen pfälzischen, lang und gut in Wein gesottenen Potentaten gemahnt, ein Faible für Gammel-Outfits hat („ich bin ein Hippie kurz vor der Pensionierung“), n i c h t der Auffassung ist, er drehe hier eine Version von Top Gun. Dann ist es ja gut, obwohl auch in diesem Hause zu Ihrer und unserer Überraschung einige Tom- Cruise-AspirantInnen auszumachen sind.

Über eine Verwilderung der Sprachkultur hat sich der CSU-Abgeordnete Fritz Wittmann (55) beschwert, und zwar, was denken denn Sie, bei keinem geringeren als Herrn Parlamentspräsidenten Philipp Jenninger, der in diesen Dingen mit Fug & Recht & Schlecht als Kenner, Connaisseur und Gourmet-Gourmand gelten kann und soll. Was er so schmuddelig findet sprachlich, das ist zum Beispiel und vor allem die Rede von Jutta Oesterle-Schwerin gewesen, die unlängst in gleich mehreren Anfragen an die Bundesregierung, bei denen es um die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen ging, mehrmals die „Begriffe Lesben und Schwule“ nach Erkenntnissen Wittmanns genüßlich ausgewalzt hatte. Beide Vokabeln seien daraufhin nicht nur in die offizielle Bundesdrucksache, sondern auch in die Parlamentsberichterstattung aufgenommen worden, obwohl sie unwürdig seien. Jenninger nun, nicht faul, versichert in seinem Schreiben an Wittmann, er habe zwar für dessen innere und äußere Erbosung volles Verständnis, käme allerdings nicht auf einen satten Ordnungsbescheid. Man habe sich sehr intensiv um gütliches Einverneh-

men mit der Autorin bemüht, aber leider keines erhalten. Zugleich hat der Präsident dem zuständigen Pressedienst nahegelegt, „sensibler zu berichten“, wenngleich dies natürlich nicht zur Unterdrückung von Informationen führen solle. Dies gelte auch für sprachliche Erosionserscheinungen auf anderem Gebiet. Und jetzt decken Sie bitte den Rest dieser Spalte ab – alles andere würde Sie dereinst auch nicht durch die Prüfung bringen –, und raten Sie, welches Gebiet das wohl sein mecht. Richtig. Vertriebenen-Politiker Wittmann findet ärgerlich, wenn von bundesdeutsch oder bundesrepublikanisch die Rede ist. Es sei DDR-Propaganda, der man nicht nachgeben dürfe.

Mit großem Hallo und Igitt und einem Gruß an Max Goldt werden in der Berliner Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Zeichnungen des vergnügten Dilettanten Theodor Heuss vorgestellt, dem ersten Bundespräsidenten dieser Republik. Hildegard Hamm-Brücher war da und hat die Ausstellung mit Werken aus circa 60 Jahren eröffnet, weil Heuss nämlich ein Mentor von Hamm-Brücher war. O-Ton Heuss: „Das Lustigste an der Sache ist, daß für mich diese Bilder immer schön sind, bloß für mich, denn ich weiß ja, wie es eigentlich aussah.“ Das ist in der Tat lustig.

Doof zu sein bedarf es wenig, aber immer jung sein, versuchen Sie das mal. Unter dem Stichwort X 94 verjüngte Akademie Berlin- Brandenburg meldet dpa heute überregional, daß die acht Wochen organisierten Teenagerismus in Berlin am Freitag mit Tusch und Hü zu Ende gehen. Walter Jens fand's „verwegen und spaßig, höchst überraschend und widersprüchlich“, was ein bißchen auch, hihi!, auf Jensens eigene Frisur zutrifft, wie?

Der Filmbesuch ist im Laufe des Jahres 1993 um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, was sich die Zeitschrift filmecho damit erklärt, daß eben der junge Mensch beziehungsweise der Intensivkinogänger (wozu diese Leute jemanden mit über zehn Besuchen pro Jahr! rechnen) einen Ausgleich schafft für die Verluste unter so wunderlichen mitteljungen Damen wie unsereinem. Haushalte mit einem Nettoeinkommen von über 4.500 DM ziehen ebenso an wie Hausfrauen und Rentner, während die Gruppe der 10- bis 19jährigen tendenziell eher wegbleibt und womöglich lieber Video guckt. Verdenken kann man's ihnen nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen