: Feuer auf der Arche Noah
Der Tourismus gefährdet Galapagos ■ Aus Puerto Ayora Thomas Pampuch
Die 90 Passagiere für die MS Santa Cruz, das größte Kreuzfahrtschiff der Galapagosinseln, staunten nicht schlecht. Als sie am Donnerstag vor zwei Wochen in Baltra, dem Flughafen des Archipels, landeten, tummelten sich auf dem Flugfeld 60 ecuadorianische Marinesoldaten. Mit den Touristen fuhren die scheckig gekleideten Marines im Bus zum kleinen Hafen von Baltra, wo die Santa Cruz für die achttägige Kreuzfahrt bereitlag.
Aber zunächst ging es nicht, wie geplant, zur Insel North Seymour mit ihren prächtigen Fregattvögeln, die zu Balzzwecken gerade ihre roten Kehlsäcke voll aufgeblasen hatten. Die Santa Cruz nahm statt dessen Kurs auf Isabela, die größte Insel des Archipels, um dort die Soldaten abzuladen. Einen Tag zuvor war im Süden der Insel ein Feuer ausgebrochen, und der Touristendampfer wurde für einen Nachmittag zum Truppentransporter, um Hilfskräfte für die Feuerbekämpfung nach Isabela zu bringen.
18 Tage sind seither vergangen. Am ersten Wochenende schien das Feuer noch unter Kontrolle, doch dann wurden die Nachrichten immer besorgniserregender. Das Feuer war keineswegs gelöscht, Mitte der Woche brannten bereits 1.000 Hektar. Begünstigt durch die herrschende Trockenheit und starke Winde fraßen sich die Flammen jeden Tag einen Kilometer weiter nach Südosten: von der in der Nähe des Vulkans Sierra Negra gelegenen Region „Alemania“, wo der Brand ausgebrochen war, in Richtung des kleinen Küstenortes Puerto Villamil. Noch waren weder Menschen noch die berühmten Galapagosschildkröten, die am Fuße des Vulkans leben, direkt bedroht. Doch eine Katastrophe schien nicht mehr ausgeschlossen.
Aus den Hilfszusagen wurde nichts
In der ecuadorianischen Hauptstadt Quito entfaltete die aufgeschreckte Regierung derweil hektische Aktivitäten. Außenminister Diego Paredes wandte sich mit der Bitte um Hilfe an die USA, an Kanada und an alle befreundeten Nationen. Bereits nach wenigen Tagen sollten kanadische Spezialflugzeuge zur Feuerbekämpfung nach Quito geschickt werden. Soforthilfen wurden zugesagt, weitere Feuerwehrleute nach Isabela geschafft, um durch das Schlagen von Schneisen in das zundertrockene Gebüsch eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Es wurde sogar erwogen, die Wolken über der Insel zu „bombardieren“, um sie damit zum Regnen zu bringen.
Doch es war eher ein Sturm im Wasserglas, der dem Feuersturm auf Isabela entgegengesetzt wurde. Kaum etwas von der versprochenen Hilfe kam an: Nach neuesten Berichten insgesamt ein Jeep aus England. Seit über zwei Wochen bemühen sich die dienstverpflichteten und freiwilligen Helfer vorwiegend mit bloßen Händen, Spaten und Macheten, dem Feuer die Nahrung wegzuhauen. Immerhin scheint nun, nachdem etwa 6.000 Hektar abgebrannt sind, ein Ende des Brandes in Sicht. Außerdem soll es demnächst endlich regnen.
Ihre letzte große Brandkatastrophe haben die „verwunschenen Inseln“, 1.000 Kilometer westlich des südamerikanischen Festlands gelegen, 1985 erlebt. Damals brannten – ebenfalls auf Isabela – 200.000 Hektar ab, wobei viele der heimischen Pfanzen und Tiere ums Leben kamen. Es dauerte mehr als 50 Tage, bis der Brand gelöscht war. Ganz so schlimm scheint es diesmal nicht zu sein. Die riesigen Landschildkröten, die jahrhundertelang fast bis zur vollständigen Ausrottung dezimiert wurden und deren klägliche Restbestände nun unter dem besonderen Schutz der Charles-Darwin-Station stehen, konnten bis jetzt vor den Flammen in Sicherheit gebracht werden.
Über die Ursachen des Feuers besteht noch immer Unklarheit. Möglich ist, daß es die noch tätigen Vulkane durch Dämpfe oder Asche entzündet haben. Aber auch Fahrlässigkeit kann zu dem Brand geführt haben. Ein schlecht gelöschtes Lagerfeuer oder auch nur eine Glasscherbe in der Sonne kann bei der derzeitigen Trockenheit schnell einen Brand auslösen.
Immerhin hat das Feuer auf Isabela in Ecuador die Diskussion über einen verbesserten Schutz des einmaligen Ökosystems der Inseln wiederaufflammen lassen. Es gibt zwar eine Reihe von Auflagen für den Tourismus auf Galapagos, doch es scheint, daß man es mit der Überwachung in den letzten Jahren nicht mehr so genau genommen hat. Es fehlt an Personal, und bei einigen der touristischen Unternehmer vielleicht auch am guten Willen. Der ganze Archipel ist seit 1959 ein Nationalpark. Bis auf vier kleine Orte stehen deshalb die insgesamt rund 8.000 Kilometer der Inselgruppe unter Naturschutz.
Bei jedem Besuch muß ein von der Charles-Darwin-Station ausgebildeter Naturführer dabeisein. Die vorgeschriebenen Wege dürfen nicht verlassen werden, nichts darf auf die Inseln gebracht und nichts von ihnen mitgenommen werden. Füttern oder auch nur Berühren der Tiere – angesichts ihrer unglaublichen Zahmheit und Zutraulichkeit eine arge Verführung – ist verboten. Zelten, Vulkanbesteigungen und Extratouren abseits der vorgeschriebenen Wege sind nur mit Sondererlaubnis möglich. Der Touristenzustrom auf Galapagos hat sich inzwischen auf über 50.000 Personen pro Jahr erhöht. Jede von ihnen zahlt 80 Dollar Eintritt, doch fragen sich heute viele, wohin diese Gelder fließen. Offensichtlich nicht in eine vernünftige Überwachung der Inseln und wirksame Schutzmaßnahmen, um Brandkatastrophen und Verletzungen der Nationalparkregeln von vornherein zu verhindern.
Auf Galapagos läßt sich gut verdienen
Insgesamt haben die Menschen den Galapagosinseln alles andere als Glück gebracht. Daß der ecuadorianische Staat alles versucht, den Archipel touristisch zu nutzen, ist ihm gewiß nicht vorzuwerfen. Eine Reihe von ecuadorianischen und internationalen Reiseveranstaltern machen seit Jahren gute Geschäfte mit umsichtig geführten Inselbesuchen. Auf Santa Cruz, der zentralen Insel, hat sich in Puerto Ayora inzwischen eine regelrechte Tourismusindustrie entwickelt, mit kleinen Hotels, Bars, Booten und Souvenirläden. Selbst die wissenschaftliche Charles-Darwin-Station, deren Hauptaufgabe die Erforschung und der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt der Inseln ist, verkauft hübsche T-Shirts.
Man kann auf Galapagos gut verdienen. Vor einigen Jahren gab es gar eine Art nationaler Freiheitsbewegung, als ein ehemaliger Naturführer alle nicht galapagenischen Naturführer der Inseln verweisen wollte. Das gelang ihm nicht, aber er ist heute der reichste Mann der Inseln und kandidiert gerade für den Gouverneursposten.
Die einzigen echten Galapageños freilich sind und bleiben die endemischen Galapagostiere, die bis vor wenigen Jahrhunderten die einzigen Bewohner der Inseln waren. Schon deshalb sollte die ecuadorianische Regierung den weiteren Schutz dieser Tiere zu einer ihrer vornehmsten Aufgaben machen.
Ein sanfter Öko-Tourismus wird den Galapagosinseln sicher nicht schaden und kann vielleicht sogar hartgesottene Naturschänder zum Nachdenken bringen. Wer einmal mit Pinguinen, Wasserschildkröten und Seelöwen geschwommen ist, Blaufußtölpen und Albatrossen beim Balzen zugeguckt und das Familienleben der Kormorane und Meeresechsen von Isabela aus nächster Nähe beobachtet hat, wird Galapagos immer als einen Garten Eden in Erinnerung behalten. Wenn jedoch – wie jetzt geplant – zwei US-amerikanische Riesenkreuzfahrtschiffe mit jeweils mehr als 400 Passagieren die Inseln regelmäßig heimsuchen wollen, drohen ihnen Gefahren, die womöglich noch größer sind als die Flammen von Isabela. Auch ein weiteres ungezügeltes Wachstum von Puerto Ayora, das heute bereits 8.000 Einwohner zählt, könnte die „islas encantadas“ von verwunschenen zu verwünschten Inseln machen. Wenn der Brand auf Isabela jedoch dazu führt, Galapagos weiter als ein mit allen Kräften zu schützendes Naturparadies zu erhalten, hätte er wenigstens ein positives Ergebnis.
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