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Bestechung und Intrige bei Immobilienpoker?

■ Zwei Treuhand-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit vor Gericht / Angeklagter behauptet, Opfer einer Intrige zu sein

Besoffene Makler, fürstliche Suiten, bestechliche Treuhand- Mitarbeiter und fehlendes Kleingeld für die Existenzgründung: Das ist der Stoff, aus dem der gestern begonnene Treuhand-Prozeß gestrickt ist. Die beiden Angeklagten und Ex-Mitarbeiter der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft mbH (TLG), der 50jährige Dieter N. und der 54jährige Klaus Dieter H., sollen sich zu Beginn des vergangenen Jahres der Bestechlichkeit, Urkundenfälschung und des Verrats von Betriebsgeheimnissen schuldig gemacht haben. Sie sollen einem Immobilienmakler angeboten haben, ihn für ein Entgeld von 350.000 Mark bei der Vergabe eines Grundstücks in Lichtenberg zu bevorzugen. Der Makler, so die Anklage, habe daraufhin die Treuhand sowie die Polizei benachrichtigt. Bei einer fingierten Übergabe des Geldes am 27. April 1993 wurde Dieter N. verhaftet, im August darauf Klaus-Dieter H.

Die vermeintliche Überführung ihrer „schwarzen Schafe“ war seinerzeit von der Treuhand als Beweis für die „innere Hygiene“ des weltweit größten Konzerns bewertet worden. Es gebe keine Hinweise auf Komplizen, wurde versichert. Ob die Selbstheilungskräfte des Privatisierungsgiganten tatsächlich so erfolgreich waren wie behauptet, darf indes bezweifelt werden. Die Staatsanwaltschaft geht neben den beiden Angeklagten von weiteren Tätern innerhalb der Treuhand-Tochter TLG aus. Das bewahrte ihn freilich nicht vor einer Attacke des Anwalts von Dieter N., der davon sprach, daß offenbar bewußt Fakten vertuscht werden sollen, um so die Schuld allein auf die Angeklagten zu schieben. Immerhin, so der Anwalt, habe die Staatsanwaltschaft dem Gericht wider besseren Wissens verschwiegen, daß gegen den Hauptzeugen des Verfahrens, den Immobilienmakler W., selbst ein Verfahren wegen eines Bestechungsversuchs in Millionenhöhe anhängig sei.

Daß W. in dem Verfahren eine größere Rolle als die des Belastungszeugen zukommt, ließ gestern auch die Aussage Dieter N.s erahnen. N. widersprach der Anklage und erklärte, vielmehr Opfer einer Intrige geworden zu sein. W., den er seit 1991 gekannt habe, hätte um seinen Wunsch gewußt, wegen des geringen Gehalts von zunächst 5.000 und später 8.000 Mark aus seiner Tätigkeit als Baugutachter bei der TLG auszusteigen und sich mit einer GmbH selbständig zu machen. Ein Fürsprechen W.s bei einem hochrangigen Mitarbeiter der Treuhand sei jedoch ebenso erfolglos geblieben wie der von W. angeregte Eintritt in eine Loge des „Lions-Club“. Im November 1992 habe er W. darauf angesprochen, daß ein Grundstück in der Köpenicker Landstraße bislang nicht verkauft werden konnte. W. hatte sich nach Angaben N.s daraufhin im Namen dänischer Investoren ganz legal um das 7,5 Millionen teure Grundstück beworben und versprochen, einen Teil seiner auf 1,5 Millionen veranschlagten Provision als Anlage in seiner GmbH anzulegen. Dies hätte auch noch gegolten, als N. dem Anliegen W.s, die Gebäudeteile auf dem Grundstück als abbruchreif zu erklären, um damit den Grundstückspreis zu senken, nicht nachgekommen sei. Statt dessen habe W. versichert, ihm am Abend des 27. April einen größeren Betrag zu übergeben. Während der Geldübergabe sei er dann verhaftet worden. N. schilderte seinen potentiellen Partner W., der trotz prekärer finanzieller Lage in einer Suite des Metropol-Hotels gelebt habe, als Menschen, der zwar ständig angetrunken gewesen sei, aber dennoch beste Kontakte bis in die Führungsebene der Treuhand-Anstalt gehabt habe. Bis zuletzt, sagte N., habe er keinen Argwohn gegen W. gehegt, obwohl er nun wisse, daß er offenbar Opfer eines Racheakts geworden sei, weil er sich geweigert habe, W.s Bestechungsversuch nachzukommen. Der Prozeß wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Uwe Rada

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