Arafat und Rabin setzen auf eine Karte

■ Unterzeichnung des Autonomieabkommens / Streit um Jericho-Plan auf offener Bühne

Kairo/Berlin (taz) – Vor drei Wochen hatte ein PLO-Sprecher prognostiziert, das Grundsatzabkommen mit Israel liege „im Sterben“. Noch zwölf Stunden vor der Zeremonie waren nicht alle Details ausgehandelt. Und als es schließlich gestern um 10 Uhr vormittags soweit war, wollte auf einmal Arafat eines der Dokumente nicht unterzeichnen. Allgemeines Chaos auf dem diplomatischen Parkett der Kairoer Konferenzhalle folgte. Nachverhandlungen, ganz buchstäblich hinter der Bühne, dauerten Minuten, dann war auch diese letzte Krise überwunden, die symbolträchtigen Unterschriften wurden nachgeholt.

Ein dramatischer Tag, der noch einmal zum Spiegelbild des langen Tauziehens wurde, das Israel und die PLO erst um das Osloer Grundsatzabkommen und dann um seine Umsetzung in eine konkrete Autonomievereinbarung führten. Die Höhe der Hindernisse, die beide Seiten in den letzten Monaten zu überwinden hatten, entspricht einer 27jährigen Geschichte von Besatzung und Widerstand, von Gewalt und Haß. Nur mit großer Mühe hatten es die Initiatoren des Abkommens über eine palästinensische Teilautonomie in Jericho und dem Gaza-Streifen in den letzten Monaten vermocht, die Widerstände in den eigenen Reihen zu überwinden. Doch schließlich gelang es Israels Außenminister Peres und PLO-Chef Arafat, eine Mehrheit in ihren Völkern davon zu überzeugen, daß es für beide keine Alternative zum Frieden gibt. Attentate gegen israelische Zivilisten genauso wie das Massaker, das ein israelischer Siedler in der Abrahams-Moschee von Hebron verübte, konnten den Friedensprozeß zwar verlangsamen, letztlich aber doch nicht aufhalten.

Gestern war im Kairoer Konferenzzentrum zunächst alles nach Plan gelaufen. Brav stellten sich alle Teilnehmer der Zeremonie hinter einer weißen Linie auf. Als Arafat sich zum Marmortisch begab und den Stapel von Dokumenten in hellblauen Mappen unterzeichnete, bemerkte noch niemand, daß er eines der Zusatzdokumente, eine Karte künftiger israelischer Militärposten in der Umgebung von Jericho, dabei ausließ. Erst als Rabin an den Tisch trat, stutzte und seinen Außenminister Peres zu sich winkte, wurde den 2.000 geladenen Gästen klar, daß irgend etwas nicht stimmte. Auf der Bühne begann ein Streit, Arafat stellte sich stur. Die Reden der beiden Außenminister der USA und Rußlands, Christopher und Kosyrew, gingen im allgemeinen Chaos unter. Auch der palästinensische Chefunterhändler Nabil Schaath konnte nicht vermitteln, alle Überredungsversuche von Peres tat Arafat mit wegwerfender Handbewegung ab. Für einen Moment sah es so aus, als würde die ganze Zeremonie platzen. Schließlich wurde hinter der Bühne weiterverhandelt, die Zuschauer ließ man auf der anderen Seite des Vorhangs und – symbolträchtig – mit einer Sphinx allein. Nach einigen Minuten dann der geschlossene Wiederauftritt der Streit- und Vertragsparteien: Arafat unterschrieb die restlichen Papiere, mit einigen zusätzlichen schriftlichen Anmerkungen, die Rabin zunächst von seinen Beratern gedolmetscht werden mußten. Erst dann setzte auch Israels Ministerpräsident seine Unterschrift darunter und kommentierte anschließend in seiner Rede: „Was die Welt gerade gesehen hat, ist nur der Gipfel des Eisberges von Problemen, die wir noch zu lösen haben.“ Und sein Außenminister deutete die zeremonielle Panne mit der ironischen Bemerkung, die Verhandlungen seien in der Nacht zuvor fünf Minuten zu früh beendet worden und hätten jetzt nachgeholt werden müssen. Nachverhandeln müssen Israel und die PLO aber immer noch. Nach Angaben von PLO-Chefunterhändler Nabil Schaath ist über die endgültige Ausdehnung des Autonomiegebiets um Jericho auch jetzt noch nicht entschieden. Karim El-Gawhary/M.R.

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