piwik no script img

Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Drei Wochen schwebten wir auf Wolke zehn, gleich hinter der lila- blaßblauen von Erzbischof Tutu. Nie wieder Apartheid! Die Leute sangen und tanzten und lachten in den Straßen. Endlich frei! Der Staatschef heißt jetzt Mandela, sogar die Werbefritzen von Volkswagen S.A. haben es gemerkt – und nicht gegeizt: In ganzseitigen Anzeigen warben sie mit dem Bild des ANC-Riesen für ihr Produkt. Unter dem Konterfei stand: „Our President“. Ja, jetzt kann auch VW wieder frei auffahren und das schlechte Gewissen (man hat unter der Schirmherrschaft der Apartheid nicht übel verdient) zum Auspuff hinausjagen...

Ab sofort aber bläst wieder der ernste Wind des Lebens. The party is over, die Jubeltage sind vorbei. Und schon haben wir den Salat! Eine Burenwurst, die falsch abgewogen wurde; ein Revolvermagazin, das klemmt; ein Kampfhundhaufen, in den man latscht; ein Fahrrad, das zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort umfällt – an allem und jedem ist nur eines schuld: das neue Südafrika. New order, ja, sowieso, genau. Sprach der weiße Rasenkraftsportler, der gestern neben uns im Supermarkt stand. Was war geschehen? Eine Verkäuferin hatte den Simonsberg-Käse so langsam eingewickelt, daß er bei der Aushändigung schon anfing zu schimmeln. Erst auf den Hinweis hin, daß es sich um eine weiße Verkäuferin handele, noch dazu um die einzig echt Verschnarchte im Kollegium und Kolleginnenium, gab der Spargeltarzan Ruh'.

Wir, für unseren Teil, waren ja schon froh, daß wir nicht wieder auf jene alte weiße Dame gestoßen sind, die sich immer vordrängelt, ganz besonders wenn Schwarze anstehen. Die behandelt sie nämlich nach alter Sitte wie Luft. Neulich wagten wir, sie darauf hinzuweisen, daß noch mehr Leute in der Schlange stehen. Schlange? Die alte Dame zischte wie ein solche und fragte uns giftig: Wo kommen Sie her? Entschuldigung, aus Deutschland, warum? Sagten wir so gefühlgemischt, wie wir nationalverhaltensgestörten Deutschen und Deutschinnen das halt immer sagen. Dann, fauchte die alte Dame, seien Sie still! Ihr habt die Juden vergast! Solche Begegnungen zwischen dem alten Deutschland und den alten Südafrika gibt es gelegentlich. Die alte weiße Dame zog an drei jungen Schwarzen vorbei, wir schlichen halb zornig, halb beschämt nach Hause. Wo dann die Scheiße erst richtig hochkam! Ein Hauptabwasserrohr war nämlich geplatzt, der halbe Garten stand unter Wasser, und obenauf schwammen die frischen Kuddeln aus Nachbars Latrine. Die Couch der Vermieterin (zwischengelagert in der Garage), das Werkzeug des goldschmiedenden Vormieters (ebenda), das Winterbeet, in dem die Nazissenzwiebeln vom Lenz träumten (hier ist Herbst) – alles hin.

Die Feuerwehr rückt an. Sorry Sir, der Wasserpegel ist zuwenig hoch für unsere Pumpe. Das Wasser- und Abwasserdepartment schickt erst mal einen Fotografen, der den Schlamassel aus allen Perspektiven knipst. Der Nothelfertrupp kommt erst später, sagt er. Und warum, beim heiligen Nepomuk? Weil die Jungs in einer Art Streik sind und mehr Geld für ihre Überstunden haben wollen. Da haben wir's, das neue Südafrika! Verloren schauen wir auf eine besonders dicke Wurst, die gerade auf die Veranda zuschwimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen