: Schleifen statt Schweben
■ Bei der Anhörung im Verkehrsausschuß zweifeln Sachverständige die Erfolgsrechnungen für den Transrapid an
Bonn (taz) – Die gesetzlichen Grundlagen für den Bau der Transrapid-Strecke würde die Koalition am liebsten mit dem Tempo eines ICE vorantreiben. Doch während die Magnetschwebebahn auf der rund 300 Kilometer langen Strecke zwischen Hamburg und Berlin berührungsfrei über die Laufschiene gleiten soll, geriet das Vorhaben der Transrapid- Freunde gestern bei einer Anhörung im Verkehrsausschuß des Bundestags mächtig ins Schleifen. Sachverständige aus Wissenschaft und Umweltverbänden bestimmten mit ihren Zweifeln an den Grundlagen der optimistischen Prognosen und der behaupteten Umweltverträglichkeit weitgehend den Verlauf der Sitzung. Die Industrievertreter, die die technologie- und wirtschaftspolitische Zielsetzung des Projekts anpriesen, machten während der teilweise komplizierten Erörterung keinen guten Eindruck.
So distanzierte sich der Karlsruher Wirtschaftswissenschaftler Werner Rothengatter vor den Abgeordneten von einem früher von ihm erstellten Gutachten, wonach auf der Strecke jährlich 14,5 Millionen Fahrgäste zu erwarten seien; 11 Millionen hält er heute für realistischer. Rothengatter, dessen Stellungnahme schon am Wochenende bekannt geworden war, kritisierte, daß in Berlin weder der Verlauf der Trasse noch der Endpunkt festgelegt sei. Unter diesen Voraussetzungen sei es auch „müßig“, die Höhe der nötigen Investition berechnen zu wollen. Nur wenn riesige Park-and-ride-Anlagen sowie Bahnhofsbauten erstellt würden, könne der Transrapid Verkehr von der Straße abziehen.
Die Handelskammer Hamburg hob die ihrer Meinung nach konkurrenzlosen Zeitvorteile des Transrapid hervor. Das Verkehrsmittel verspreche eine „veränderte Lebensqualität“, meint Vizepräses Helmut Kruse. „Es wird möglich sein, für einen kulturellen Abend nach Berlin zu fahren“, so der Hanseat, und lieferte damit das Stichwort für Wilfried Sauer von der Koordinierungsstelle „Transrapid“ des BUND: Der Transrapid werde tatsächlich mehr Verkehr produzieren, statt notwendige Mobilität zu sichern. Auch werde der Benutzer des Verkehrsmittels „ein Vielfaches dessen an Energie verbrauchen“, was ein Passagier auf der gleichen Strecke heute benötige.
Klare Worte fand der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): Um Exportmöglichkeiten zu nutzen, müsse die Industrie im eigenen Land funktionierende und akzeptierte Referenzobjekte aufweisen können. BDI-Geschäftsführer Ludolf von Wartenberg meinte, um im Wettbewerb mit Japan und den USA bestehen zu können, sei eine Innovationsoffensive notwendig. Auch die an dem Vorhaben beteiligten Unternehmen mit Thyssen Henschel an der Spitze erwarten eine erhebliche Schubwirkung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und einen Beitrag zur Verringerung der Umweltbelastung.
Die gestrige Anhörung war von der Opposition beantragt worden. Die Koalition will ihren Gesetzentwurf zur Regelung des Planungsverfahrens der Magnetschwebebahn noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschieden. Der Erfolg des Projekts hängt dann vor allem vom Verhalten der SPD-geführten Landesregierungen im Bundesrat ab. Hans Monath
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