: Esel in Arkadien
■ „Accidents will happen“: Angela Zumpes Videoproduktion im NBK
In ihren Videos kehrt Angela Zumpe die Geschwindigkeit des Fernsehens um: Hier fließen die Nachrichtenbilder sehr viel langsamer als der gesprochene Text. Die weiße Rauchschwade am Himmel über Texas etwa, als die „Challenger“ explodierte, scheint stillzustehen; und auch der in schummrigem Blau angepeilte irakische Raketenstützpunkt wird nur im Schneckentempo bombardiert. Es ist, als wolle Zumpe der Wahrnehmung im Angesicht der Katastrophe Langsamkeit aufzwingen.
„Accidents will happen“ ist ein Gegenwarts-Requiem. Im Stil von Trailern hat die Videokünstlerin, die auch als Sendedesignerin für n-tv gearbeitet hat, Dokumentaraufnahmen montiert und digital verfremdet. Gebannt starrt die Kamera auf das steinerne Gesicht einer erodierten Statue, während ein Sprecher von Kriegsopfern und Benjamins Geschichtsengel erzählt. Im Hintergrund zersplittert die Realität: Dreigeteilt ziehen nach den Bombenangriffen auf Bagdad griechische Landschaften vorbei. Ein Esel trottet durch Arkadien, Aufklärungsflugzeuge im oberen und computeranimierte, archaische Zeichen im unteren Bilddrittel begleiten ihn dabei. Das alles mischt sich mit Erinnerungen des italienischen Schriftstellers Cesare Pavese an die Jugend, in der Götter und Mythen der kindlichen Einbildung unüberwindbar schienen und selbst Natur eine „transzendentale Kraft“ besaß. Staunend betrachtet dann wieder Benjamins Engel, wie sich Geschichte unter Menschen ereignet – und zwischen Medien, würde Zumpe ergänzen, die von der Idylle in die nächste Krise hinüberblendet. Mit dem Absturz eines Flugzeugs endet das Video in orange lodernden Flammen. Die Katastrophe wird nunmehr im voraus geprobt, das Risiko anhand von Simulationscrashs erforscht. Ferngesteuert knallt der Jet auf die Straße und wird dabei per Film aufgezeichnet. Indem Zumpe die Bilder als Fundstücke übernimmt, bleibt der Unfall rein medial und fügt sich seltsam harmonisch unter die Naturaufnahmen. Die Katastrophe, anfangs noch eine Folge historischer Prozesse, ist im letzten Bild wörtlich aus dem Griechischen übersetzt worden – als eine „Umkehr“ des Unglücks, das gar nicht mehr real passieren muß, solange es zur Darstellung kommt. Golfkrieg und Flugsicherung sind im Fernsehen dasselbe. Auch wenn diese Erkenntnis schon etwas länger durch die Medien-Diskussion geistert, ist sie der Form nach bei Angela Zumpe recht aktuell: Als achtminütiger Trailer ist „Accidents will happen“ selbst wie eine Nachricht aufgemacht. Harald Fricke
Videopremiere, heute abend um 20 Uhr im Video-Forum des NBK, Chaussestraße 128/129, Mitte.
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