: Neuhof - oder etwa Altenwerder?
■ Neues Gutachten in Sachen Müllverbrennung schlägt zwei Standorte vor / Die Erweiterung der MVA Stellingen ist unwahrscheinlich Von Uli Exner
„Für die Errichtung einer Neuanlage sind die Standorte Wilhelmsburg/Nippoldstraße und Altenwerder/Rugenberger Damm (Kosten höher) zu bevorzugen.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Senat in Auftrag gegebene „Machbarkeitsstudie“ für den Standort einer neuen Müllverbrennungsanlage (MVA), die Umweltsenator Fritz Vahrenholt gestern nachmittag den Vertretern verschiedener Bürgerinitiativen vorgestellt hat.
Weniger geeignet nach Meinung der mit der Studie beauftragten Ingenieursgesellschaft Goepfert, Reimer & Partner: Eine Fläche in der Waltershofer Dradenaustraße, an der die Abwärme einer MVA nicht genutzt werden könne, sowie eine Erweiterung der bestehenden Müllöfen Stellinger Moor und Billstedter Borsigstraße. Deren Ausbau, so heißt es in dem Gutachten, „würde geringe Zusatzbelastungen ergeben, die in einem Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung schwer vermittelbar sind“. Eine Entscheidung des Senats - sie soll in den kommenden Wochen fallen - für einen dieser drei Standorte dürfte damit unwahrscheinlich sein.
Also doch der Wilhelmsburger Ortsteil Neuhof, den Vahrenholt schon zu Beginn des Jahres als seine erste Wahl geoutet hatte, für den sich der Senat aber wegen massiver Bürgerproteste erstmal nicht entscheiden wollte? Oder sollte es doch Altenwerder sein, ein öffentlich noch gar nicht genannter Bauplatz, den Vahrenholt nachträglich in die Studie einbeziehen ließ?
Beide Standorte liegen nicht weit voneinander entfernt. Neuhof, am östlichen Ausläufer der Köhlbrandbrücke; der Rugenberger Damm in Altenwerder, am westlichen Fuß der Köhlbrandbrücke. Vorteil hier: Keine Wohnbebauung ringsum. Nachteil: Um - wie von Vahrenholt gewollt - mit der Abwärme der MVA das alte Ölheizkraftwerk Neuhof zu ersetzen, müßte laut Studie eine 1,7 Kilometer lange Dampfleitung verlegt werden, die die Betriebskosten der neuen MVA erhöhen würde. Mehrkosten gegenüber einer Anlage in Neuhof bei maximaler Kapazitätsausnutzung (240.000 Tonnen): Rund vier Millionen Mark jährlich.
Zudem könnte ein MVA-Bau am Rugenberger Damm einem zweiten geplanten Hamburger Großprojekt im Wege stehen: der sogenannten Hafenquerspange. Die geplante Autobahn-Verbindung zwischen A 7 und A 1 soll hier ihren Ausgang nehmen. Zwar hat der knorrige Verkehrssenator Eugen Wagner seine Bedenken zunächst zurückgestellt. Ob's dabei bleibt????
Gut möglich, daß die Dinge nicht nur angesichts knapper Stadtkassen doch auf Neuhof hinauslaufen. Den Protest der Wilhelmsburger, so haben verschiedene SPD-Politikerinnen in den vergangenen Wochen angedeutet, müsse man eben mit „sozialer Kompensation“, also zusätzlichen Investitionen im Stadtteil, dämpfen.
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