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"Sabotage der Hauptstadt"

■ Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU will mit Bürgerinitiative "nofitti" gegen "Verslumung" Berlins zu Felde ziehen / Antrag ans Abgeordnetenhaus

Ein Bild des Grauens wurde gestern im Preußischen Landtag entworfen: Berlin, die „Hauptstadt der Sudler“, werde durch „wirre und häßliche Kritzeleien“ verschandelt, ein „abstoßendes und schmuddeliges Bild der Verwahrlosung“ breite sich aus, so daß das werdende Gesicht der Stadt stark gefährdet sei. Von „Sabotage der Hauptstadt“ war gar die Rede.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Dieter Hapel, wird der „Verschandelung“ nicht länger tatenlos zusehen. Die CDU-Fraktion will zusammen mit dem Koalitionspartner SPD einen Antrag ins Parlament einbringen, damit der Senat dem „Verfall des Stadt- und Straßenbildes“ Einhalt gebiete. Begründung: die „optische Verslumung“, die noch dazu auf dem „Rücken unschuldiger Steuerzahler“ ausgetragen werde. Hapel selbst ist Initiator einer „Bürgeriniative gegen Wandschmierereien“, die er gestern vorstellte.

Detlef Herrmann, einer der freiwilligen Saubermänner, will die Initiative „nofitti“ als „Liebeserklärung an Berlin“ verstanden wissen. Da mit Liebe allein keine Farbe der Welt abgeht, wird im „Basispapier“ eine Auseinandersetzung mit den „geistigen Unterstützern“, „massive Öffentlichkeitsarbeit“, „Isolierung“ von Sprühern und „Auslotung sämtlicher strafrechtlicher Möglichkeiten“ gefordert. Auch der eingeschränkte Verkauf von Spraydosen, wie bei Alkohol oder Feuerwerkskörpern, sei ein Mittel für eine aseptische Stadt. Hapel als Putzteufel der ersten Stunde fordert im Antrag an das Abgeordnetenhaus sogar die Einrichtung einer „Putz-Feuerwehr“. Für die SPD-Fraktion ist der Antrag „diffuser Quatsch“, so ihr Sprecher Hans-Peter Stadtmüller. Dem Papier, das „einige Lachnummern enthält, könne bei dem „Geist der Weltuntergangsstimmung“, den es atme, keinesfalls zugestimmt werden, auch wenn die „massenhaften Graffiti“ in der Stadt ein Problem seien.

Vom Anbieten legaler Flächen zum Sprühen hält Herrmann überhaupt nichts. Aus Insiderliteratur wisse er, daß die „Adrenalin-Junkies“ sich ihre „Adrenalinausschüttung“ und ihre „Angst-Lust“ bei verbotenen Aktionen holen. „Wir wollen nicht nur etwas schwanger sein“, sagte er so blumig wie Graffiti bunt sind. Sprayer- Kurse seien „sehr, sehr illusorisch“ und nichts weiter als ein „Reflex der Ohnmacht.“ Für den Geschäftsmann mit dem „nofitti“- Aufkleber am Revers gibt es keinen Unterschied zwischen „Krickelkrakel und einem mundgemalten Peace.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion hatte seinen Aufkleber ans Mikrophon gelehnt. Wollte er sein Jackett nicht besudeln? wahn

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