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„Ich halte mich für mehrheitsfähig“

■ Der sächsische Justizminister Steffen Heitmann blickt auf seine Kandidatur zurück

taz: Herr Heitmann, was machen Sie am 23. Mai?

Steffen Heitmann: Ich werde, wenn das Wetter schön ist, mit Frau und Sohn ins Grüne gehen – wie sich das zu Pfingsten gehört.

Und später schauen Sie sich die Wahl im Fernsehen an?

Sicher, wenn ich nach Hause komme. Etwas gespannt werde ich noch sein, obwohl es für mich eigentlich keine Überraschung mehr gibt.

Sie gehen von Herzog aus?

Ja.

Haben Sie sich als Kandidat jemals überfordert gefühlt?

Nein.

Stehen Sie noch zu Ihren Grundaussagen? Etwa daß die Rolle der Frau eher in der Kindererziehung, am Herd ist...

Das habe ich nie gesagt. Also, das sind Klischees, die Sie mir da in den Mund legen, wie sie in der öffentlichen Debatte immer wieder vorgekommen sind. Ich habe nie vom „Herd“ geredet, ich habe von der Bedeutung der Rolle der Mutter in der Gesellschaft gesprochen, und dazu stehe ich nach wie vor.

Daß Auschwitz in die deutsche Geschichte „eingeordnet“ gehöre, dazu stehen Sie auch weiterhin?

Das habe ich so klischeehaft nie gesagt. Wenn Sie das meinen, was ich in der Süddeutschen Zeitung gesagt habe, dazu stehe ich nach wie vor uneingeschränkt.

Und Sie sehen eine Gefahr für die „deutsche Identität“ wegen „Überfremdung“ durch Ausländer?

So, wie Sie das sagen, sehe ich das nicht. Ich habe immer gesagt, man muß die Ängste der Bürger ernstnehmen. Auch dazu stehe ich nach wie vor. Die Ängste der Bürger sind ein politisches Faktum, ob sie berechtigt sind oder nicht, das ist eine zweite Frage.

Waren die „Ängste“ in Magdeburg berechtigt?

Ängste rechtstreuer Bürger und barbarischer Vandalismus sind etwas völlig verschiedenes.

Waren Sie ein Testballon dafür, wie weit die Union nach rechts gehen darf?

Kohl ist kein Mann, der in dieser Weise mit einem Menschen spekuliert, das muß ich ganz deutlich sagen. Im übrigen wußte ja niemand, wie „rechts“ ich bin. Zum „Rechten“ haben mich erst die Medien nach meiner Nominierung gemacht.

Wer war denn schuld an Ihrem Rückzug als Bundespräsidentenkandidat? Das berüchtigte politisch-korrekte westliche Medienkartell?

Die Ironie Ihrer Frage kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ein solches linksorientiertes Medienkartell gibt. Das kann man gerade anhand der Vorgänge um meine Kandidatur nachweisen. Aber Gründe für meinen Rückzug gab es mehrere. Das ist ein Geflecht verschiedener Dinge. Natürlich sind es meine Überzeugungen, über die ich gesprochen habe und die natürlich an bestimmten Stellen bundesdeutsche linksintellektuelle Tabus verletzt haben. Drei Viertel der Medien und fast 100 Prozent der elektronischen Medien waren da eingebunden. Und wer ausbrach, hatte beachtliche Sanktionen zu gewärtigen.

Sie waren also mehrheitsfähig, aber nicht medienfähig?

Für mehrheitsfähig halte ich mich sehr wohl. Da deckt sich das, was in den Medien gekommen ist, nicht mit dem, was im Volk vorhanden war. Das habe ich auch an dem umfangreichen Schriftwechsel gemerkt, den ich geführt habe und noch bis heute führe.

Nur positive Post?

Nur noch positive nach meinem Rückzug – 99 Prozent. Vorher waren es vielleicht 85 Prozent.

Hatten Sie das Pech, Schützling des Kanzlers zu sein?

Das hat sicher mit eine Rolle gespielt, daß diese Kandidatur, daß die Art und Weise meiner Präsentation sehr eng mit der Person des Kanzlers verknüpft war.

Sprechen Sie heute noch mit Herrn Kohl?

Wenn sich die Gelegenheit ergibt, selbstverständlich.

Haben Sie die Öffentlichkeit, die Sie als Kandidat hatten, jemals genossen?

Öffentlichkeit gehört zum Geschäft des Politikers. Mit Sicherheit habe ich sie nicht so genossen, wie man eine schöne Landschaft genießt oder den Anblick einer schönen Frau.

Betrachten Sie sich selbst weiter als „Tabubrecher“, als Vertreter der „Normalbürger“?

Ich spreche das an, was ich für notwendig halte. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es in unserer Gesellschaft viele Menschen gibt, die dankbar sind, daß jemand es sagt. Mir hat eine Lehrerin am Anfang der ganzen Debatte mal folgendes geschrieben: „Es gehört heute sehr viel Mut dazu, das Natürliche und das Vernünftige laut zu sagen.“ Genau das ist es. Interview: Hans-Hermann Kotte

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