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Balalaika meets Coca-Cola

■ Aki Kaurismäki hat von den Leningrad Cowboys immer noch nicht genug

Variationen auf ein und dasselbe Thema: das sind die Filme Aki Kaurismäkis über die Leningrad Cowboys mittlerweile. Kaurismäki versteht sich wohl als so etwas wie ein Spezialist in Sachen Kollision zwischen dem, was er als „russische Seele“ ansieht, und dem Rockin' in the free world. Balalaika meets Coca-Cola, buschiger Schnurrbart trifft auf die asthenischen Neurosen der modernen Welt, man weiß schon. Freedom, danger, ein paar Klischees scheinen immer noch gut genug, um ganz im Brechtschen Sinne zu zeigen und zu verfremden, wenn man es gutmeinend interpretiert. Schwingt man sich nicht erst so hoch auf, dann kann man das hanebüchen Groteske der Cowboy- Präsentation – außerordentlich miese Musik, abartig spitze Schuhe und gegelte Haartollen – kultig finden. Oder einfach blöd.

Nun also gar ein Konzertfilm, und was soll über Konzertfilme schon groß geschrieben werden. Im Mai 1993 unterzeichneten die Leningrad Cowboys und das legendäre Alexandrow-Ensemble der Roten Armee einen Vertrag über einen gemeinsamen Auftritt am 12. Juni. Sie taten dies unter einem Gemälde von Lenin, was sich als Gag heutzutage recht hübsch ausnimmt. Die Hinterlassenschaften der Geschichte – recycelt zu einer einzigen campy Dekoration. Und ganz in diesem Sinne geht es denn zum Konzert auch weiter, wenn die Leningrad Cowboys mit allerlei vaterländischen Orden und staatlichen Auszeichnungen behangen über eine Bühne hüpfen, vor der 70.000 Leute kreischen. Fürs Publikum ein „outragious spectacle“ und der Genuß aparter Verlegenheit bei einem angesichts des Cowboy-Blödsinns auf ziemlich hilflose Art würdevollen Alexandrow-Ensemble. Wenn Pathos und Erhabenheit sich in folkloristischer Verpuppung mit einer Trash-Skurrilität arrangieren wollen, die schon reichlich abgenutzt ist, ergibt das noch lange kein Mordsgaudi. Eine miese Band, die als vornehmste Qualität ein unmögliches Outfit aufzubieten hat, legt den Arm um dickliche, ehrenwerte Bässe und Tenöre, die sich, wie im stellvertretenden Versuch, die neue west-östliche Welt zu bewältigen, an „Together“ abmühen.

Einmal werden Fragmente aus dem „Messias“ und der Hymne der Sowjetunion adaptiert. Das ist interessant, sogar unterhaltsam, aber nicht lustig, wie die Relikte gescheiterter Gesellschaftsentwürfe nun mal nicht lustig sind, wenn sie ideologisch heimatlos vagabundieren. So kommt es einem denn auch unerträglich abgestanden vor, wenn ein Cowboy Tom Jones' „Delilah“ in sowjetischer Admiralsuniform intoniert. Gestylter Schwachsinn, so als würde Nurejew mit Miss Piggy tanzen, wie Variety – allerdings begeistert – schrieb. Dazwischen wirbeln ein paar russische Trachtenmädel in Sarafan und roten Stiefelchen herum. Seltsam, wie diese pure Folklore in Nachbarschaft der hampeligen Leningrad Cowboys selbst fast so etwas wie Trash-Charakter annimmt. Die free world vereinigt sich mit Mütterchen Rußland, aber es ist klar, wer oben liegt. „Knockin' on heavens door“ gibt es mit Querflöte und Balalaika, eine lausige Umarmung. Dann natürlich all die traditionellen russischen Lieder, „Die Wolgaschiffer“, „Kalinka“ und „Das Feld“, die das Alexandrow-Ensemble in den Olymp der Chöre gehoben haben: vokalistische corporate identity, schwellende Sehnsucht, was einem eben das Herz weitet. In diesen Momenten dankt man Kaurismäki für diesen Film, in dem die Kuriosiät ansonsten leerläuft. Und vielleicht ist es kein Zufall, daß einer der Leningrad Cowboys einen winzigen Moment lang Luftgitarre spielt. Anke Westphal

„Total Balalaika Show“. Regie: Aki Kaurismäki, mit den Leningrad Cowboys und dem Alexandrow-Ensemble der Roten Armee unter Leitung von Igor Agafonnikow, 55 Min., Farbe.

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