: Ex-Santa-Fu-Chef: „Das Warnsystem hat doch funktioniert“
■ Wolfgang Sarodnik weist Vorwurf zurück, Mitarbeiterinnen einem Vergewaltiger ausgesetzt zu haben
Im Berufungsverfahren vor dem Hamburger Landgericht um die Vergewaltigungsserie in Santa Fu hat Ex-Knastchef Wolfgang Sarodnik gestern zur Anklage Stellung genommen. Der Psychologe bekräftigte, daß er damals zum Schweigen verpflichtet gewesen sei, weil ihn die betroffenen Mitarbeiterinnen ausdrücklich darum gebeten hatten und er den Frauen sein Wort gegeben habe. Sarodnik war 1992 vom berüchtigten Amtsrichter Nils Graue in erster Instanz wegen Strafvereitelung im Amt zu 12 Monaten Knast verurteilt worden.
Wie berichtet, hatte der Vergewaltiger und Frauenmörder Alfred Banz seine Serie von Sexualstraftaten in den 70er Jahren im Knast fortgesetzt. Der damalige Anstalts-Leiter Dietrich Stark hatte die Fälle verschwiegen, weil er Negativ-Schlagzeilen für den Modellversuch „Frauen im Knast“ befürchtete. Kurz nachdem Sarodnik 1981 die Knastleitung übernahm, überfiel Banz erneut eine Knastmitarbeiterin und vergewaltigte sie.
Sarodnik wehrt sich gegen den Vorwurf von Staatsanwalt Martin Köhnke, nach diesem Vorfall „blauäugig“ gehandelt zu haben. Da er von den anderen Sexualtaten nichts gewußt und es sich bei der betroffenen Frau um eine „ungeschulte externe Mitarbeiterin“ gehandelt habe, sei er von der „Einmaligkeit“ dieses Verbrechen ausgegangen. Da ihn das Opfer zum Schweigen verpflichtet habe, sei der Fall auch nicht an das Strafvollzugsamt gemeldet worden.
Erst 1983, so Sarodnik, habe er von den früheren Fällen erfahren, als wieder eine Bedienstete sexuell mißhandelt wurde. Sarodnik zum Vorwurf des Anklägers, er habe gegen Banz nicht unternommen und durch seine „fatale Fehlentscheidung“ Mitarbeiterinnen mit Leib und Leben einem Vergewaltiger ausgesetzt: „Es hat daraufhin ein Warnsystem gegeben und es hat – bis auf einen Fall – funktioniert.“ Jede neue Mitarbeiterin sei auf das „besondere Gefahrenpotential“ hingewiesen worden. Sarodnik: „Es wurde ganz konkret vor der Person Banz gewarnt.“ Daß es zu einer weiteren Vergewaltigung gekommen sei, wäre Leichtsinn gewesen. Sarodnik: „Ein Fall gegen eine ausdrückliche Warnung.“
Die Vorfälle seien weder gemeldet noch in die Gefangenenakte aufgenommen worden, so Sarodnik. Banz sollte nämlich nicht wissen, daß die Frauen ihm die Vergewaltigungen anvertraut hätten. „Der eingeschlagene Weg mußte eingehalten werden“, so Sarodnik: „Es hätten allerdings Situationen eintreten können, wo ich in Rücksprache mit den weiblichen Bediensteten die Notbremse gezogen hätte.“ So zum Beispiel bei Vollzugslockerungen, Freigang oder vorzeitiger Haftentlassung.
Während in diesem Verfahren über den eigentlichen Sachverhalt kaum gestritten wird, es lediglich in der Bewertung Differenzen gibt, wird der Knackpunkt vermutlich erst durch das Oberlandesgericht entschieden. Die Kernfrage: Hatte Sarodnik eine „Garantenstellung“? Also war er der Behörde mehr als seinen Mitarbeiterinnen verpflichtet? Verteidiger Wolf-Dieter Reinhard: „Ein Anstaltsleiter ist für die Einhaltung der Strafvollzugsvorgaben verantwortlich, aber kein Garant für Strafverfolgung. Für diese Position kann ich eine ganze Bibliothek an Rechtsliteratur hinstellen, für die abweichende Meinung gibt es nicht eine Handvoll Bücher.“ Kai von Appen
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