: Dieses Quentchen Abgedrehtheit
■ Eine Bremer Band zwischen Cage und Schamanismus: „In Cold Blood“, heute live
Eine verdammt gute Rockband waren drei Viertel von In Cold Blood schon, als sie unter dem Namen Vee Jays durch die Lande zogen und gar drei Alben füllten. Was aber heute im Rock geendet ist, kommt aus einer ganz anderen Perspektive. Zunächst mal klingt die Debüt-CD der Bremer Band, die so heißt wie sie selbst, nach Übungsraum und Jugendzentrum, eben nach Rock. Gut gespielt, mit Power, aber bieder. Von der selbstpropagierten „hypnotischen Schamanen-Tanzbarkeit“ ist wenig zu merken. Doch unter der Oberfläche brodelt es, lassen brasilianische Berimbao-Klänge und ausufernde Improvisations-Parts zweimal hinhören.
Für das nötige Quentchen Abgedrehtheit sorgt da Harry Payutas, der von seinen ausgedehnten Lateinamerikareisen viele Weisheiten über Voodoo und Schamanenkult mitgebracht hat. Die Erkenntnis des Sängers und Bassers: „Eine gewisse Spiritualität gehört zu jeder großen Musik.“ Ganz ähnliches erlebte der daheimgebliebene In-Cold-Blood-Organist, Jim Blitzstein, mit den Klängen von John Cage: „Das sind die selben meditativen Elemente. Ohne daß ich selbst in Lateinamerika war, weiß ich, was Harry erlebt hat.“ Erfahrungen, die das Korsett der früheren Band Vee Jays sprengten. Die logische Folge trotz des etablierten Namens: Split und ungewisser Neubeginn. Womit Thomas Caru, gelehriger Schüler der Free-Funk-Gitarrenlegende James Blood Ulmer, die Bühne betrat – ein zentraler Baustein für den neuen Sound.
Ob die nun entstandenen Rocksounds wie im fast zehnminütigen Herzstück der Platte „Lay the Voodoo“ nach den Doors oder nach schamanischem Beschwörungstanz klingen, ist für Harry Payutas Haarspalterei: „Zu guter Musik gehört, daß sie dich in andere Zustände versetzt. Ob Rock, Voodoo-Trommeln, alles die gleiche bewußtseinsverändernde Monotonie.“ Das Resultat kann sich hören lassen: weder driften In Cold Blood in die Weltmusik- und Esoterik-Ecke ab, noch rocken sie wie alle anderen.
Hörbar gelohnt hat sich der Verzicht auf die Materialschlacht im Studio. Die Songs wurden allesamt live eingespielt, der jeweils erste Take der fünf Stücke der Mini-CD blieb der Beste. Für die cleveren Mid-Dreißiger ist das nur eine Frage der Atmosphäre gewesen. Harry Payutas: „Im Studio braucht man feines Essen, diverse Getränke und Räucherstäbchen. Vor allem Räucherstäbchen.“ Auch wenn Co-Produzent Uwe Siemer ob des Gestankes schimpfend die Räumlichkeiten bei den Aufnahmen verließ. Davon, daß der Aufwand sich trotzdem gelohnt hat, kann mensch sich heute abend überzeugen, wenn In Cold Blood ihr Debüt mit einigen illusteren Überraschungsgästen vorstellen. Lars Reppesgaard
Heute live ab 20 Uhr im Wehrschloß am Hastedter Osterdeich.
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