: Multikoloriert gleich multikulturell
■ Das Produkt wird zum oberflächlichen Gesinnungsträger
„Bunt ist beautiful“ heißt das neue Schlagwort vieler Werbekampagnen, mit dem der Alltag und zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Rassismus multikulturell aufgefrischt und vereinfacht werden sollen. Kampagnen wie Stuyvesants „come together“ oder Benettons „united colors“ nutzen das Zeitgeistthema „multikulturelle Gesellschaft“, um „progressiv und weltoffen“ auf sich aufmerksam zu machen.
Seit längerem werben Firmen mit Bildern von Gleichheit und Brüderlichkeit. „Farbige“ Menschen verschiedenster Herkunft in farbiger Mode reichen einander die Hände oder haben einfach Spaß miteinander, vereint durch das gemeinsame Produkt. Beim Kunden soll das Bewußtsein geweckt werden, eine kritische Lebenseinstellung kaufen zu können und somit auf recht unkomplizierte Weise Teilhaber dieser Lebenseinstellung zu werden.
Das scheinbare Brechen von Tabus mag vielleicht progressiv daherkommen, ist jedoch ohne konkrete kritische Aussage. Mit dem Versuch, Kommerz und Weltoffenheit zu verbinden, werden verschiedenste ethnische Gruppen inhaltlich auf verschiedene „Farben“ reduziert.
Kulturelle Unterschiede, unterschiedliche Lebensbedingungen und Wertvorstellungen, politische oder gesellschaftliche Zusammenhänge werden nicht zum Thema gemacht. So wird allein das Produkt zur oberflächlichen Lösung der Probleme.
Seit Produkte wie der „Negerkuß“, Symboliken wie der Sarotti- Mohr oder die Chiquita-Frau im Bananenröckchen mit kolonialistischen und rassistischen Denkmustern gleichgesetzt werden, treten Menschen afrikanischer Abstammung bzw. Schwarze verstärkt in „völkervereinigenden“ Werbekampagnen auf. Hier gilt meist: Je dunkler, desto fremder und desto mutiger und gewagter scheint das Zusammentreffen von Schwarz und Weiß.
So wird z.B. „Weiß küßt Schwarz“ als Völkerverständigung schlechthin angesehen, denn wie solche Bilder zeigen, sind wir doch bis auf die unterschiedlichen Äußerlichkeiten alle gleich und bereit zur Vereinigung. In solchen Fällen dienen Schwarze nicht als Träger fremder oder verschiedener Kulturen, sondern werden nur optisch mit dem „Fremden“ allgemein assoziiert. Dieses realitätsfremde Aufeinandertreffen von Schwarz und Weiß dient jedoch kaum als Wegbereiter für eine harmonische Gesellschaft oder gar als Anstoß für ein friedlicheres Zusammenleben. Denn die Probleme scheinen gelöst, wenn man zusammen gut gelaunt ist und Spaß miteinander hat.
Schwarz ist angesagt, wenn es mit New York, Paris oder London assoziiert wird. Doch was passiert, falls Schwarze nicht gut gelaunt sind oder Schwarze mit dem im Westen unbeliebten Islam in Verbindung gebracht werden müssen oder man sich tatsächlich mit anderen Lebensumständen oder Wertvorstellungen auseinandersetzen muß?
„Multikolorierte“ Werbekampagnen bieten eben eine einfache Lösung für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und stoßen somit auf große Beliebtheit in einer Gesellschaft, in der das „Fremde“ willkommen ist, solange es verfügbar und leicht verdaulich zu konsumieren ist. Magdy Abu-Gindy
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