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Borchert fordert Holzkonsum

■ Landwirtschaftsminister legt nationalen Waldbericht vor / Nur 36 Prozent der Bäume sind noch gesund / Pflichtschuldige Erwähnung der Autoverkehrsfolgen

Bonn (taz/epd) – Wer beim nationalen Waldbericht zuerst an Maßnahmen gegen sterbende Bäume denkt, täuscht sich. Landwirtschaftsminister Jochen Borchert war es gestern am wichtigsten, die Deutschen zu einem höheren Holzverbrauch anzuregen. Die ganze Diskussion um den sterbenden Wald habe dazu geführt, daß die Leute weniger Holz kauften, monierte der Minister. Angesichts eines zunehmenden Vorrates setze sich die Regierung deshalb für eine Absatzförderung dieses Naturprodukts ein. Die Verwertung von Schwach-, Abfall- und Restholz zur Energieerzeugung in Bio-Wärmekraftwerken sei zu verbessern. Daß das meiste in Deutschland verkaufte Papier aus ausländischen Bäumen hergestellt wurde, erwähnte Borchert nicht.

Derzeit werden den Angaben zufolge aufgrund günstigerer Preise für andere Energieträger nur 0,8 Prozent des Primärenergieverbrauchs durch Holz gedeckt. Insgesamt werden in Deutschland jährlich zwischen 30 und 40 Millionen Kubikmeter Rohholz erzeugt und damit zwei Drittel des Jahresverbrauchs gedeckt.

Mit dem erstmals vorgelegten Waldbericht entspricht die Bundesregierung laut Borchert den Beschlüssen der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung, wonach die Teilnehmerstaaten ihre Bemühungen zur Erhaltung des Waldes darlegen sollen. Aus dieser Bestandsaufnahme ergibt sich, daß mehr als zehn Millionen Hektar oder rund 30 Prozent der Fläche in Deutschland bewaldet sind. Davon entfallen 68 Prozent auf Mischwald, ein Viertel auf Nadelbäume, und sechs Prozent sind reine Laubbaumbestände.

Nahezu jeder fünfte Baum ist mehr als 100 Jahre alt, heißt es in dem Bericht. Im Jahr 1992 wurden 6.200 Hektar erstmals aufgeforstet, in den Jahren zuvor waren es 3.000 Hektar. Borchert führte diese Steigerung auf höhere Zuschüsse zurück. Zur Förderung der Forstwirtschaft standen 1992 rund 140 Millionen Mark bereit.

Die Waldschäden weisen dem Bericht zufolge weiterhin ein hohes Niveau auf. Schadensfrei waren bei der jüngsten Erhebung 36 Prozent des Waldes, 40 Prozent weisen leichte Schäden auf, nahezu jeder vierte Baum ist deutlich geschädigt. Zur Erhaltung der Waldökosysteme müßten die Schadstoffemissionen des Verkehrs, der Industrie und der Landwirtschaft weiter gesenkt werden, forderte Borchert pflichtschuldig.

Der SPD-Umweltexperte Michael Müller warf der Regierung angesichts des Waldsterbens Untätigkeit vor. Sie verteile „Trostpflästerchen“, wo es um die Heilung einer schweren Krankheit gehe. Ohne ernsthafte Schritte zu umweltverträglicheren Verkehrssystemen sei die öffentlich geäußerte Sorge um den Waldzustand nicht glaubwürdig. Nicht erwähnt wurden von Müller seine zahlreichen Parteifreunde, die ebenfalls einer antiquierten Verkehrspolitik fröhnen.

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