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Solingen: V-Mann mischte mächtig mit

Leiter der rechten Kampfsportschule „Hak-Pao“ war Mitarbeiter des Düsseldorfer Verfassungsschutzes / Er hat die Angeklagten im Solinger Mordprozeß für Hak-Pao angeworben  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der zentrale Treffpunkt der rechtsextremistischen Solinger Szene, die Kampfsportschule „Hak-Pao“, wurde von einem V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes geleitet. Sein Name: Bernd Schmitt. Drei der vier Angeklagten im Solinger Mordprozeß nahmen zeitweise an einem von Schmitt geleiteten speziellen Kampftraining für die rechte Szene teil. Die vom Angeklagten Christian B. (21) in seinem Tagebuch als „kanakenfreies Training“ titulierte Spezialausbildung fand jeden Freitagabend statt. B. trainierte 44 Wochen lang bei Schmitt. Auch die beiden Mitangeklagten im Solinger Mordprozeß, Markus Gartmann (24) und Felix K. (17), bildete Schmitt zeitweise aus.

Nach der Aussage von K. hatte Schmitt den 17jährigen für das Freitagstraining mit dem Argument geworben, dort sollten „Special Forces“ zum Schutz von Rechten und Skins ausgebildet werden.

Daß der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Kampfsportschule Hak-Pao durch einen hochkarätigen V-Mann fest im Blick hatte, war in Journalistenkreisen seit langem bekannt. Bisher traute sich nur niemand mangels prozeßtauglicher Beweismittel, Schmitt zu outen. Am Donnerstag abend kam das WDR- Fernsehen dann mit der Meldung raus. Wie in solchen Fällen üblich, verweigerte die Spitze der Verfassungsschutzbehörde eine eindeutige Stellungnahme. „Ich sage weder ja noch nein“, lautete der Kommentar des Verfassungsschutzpräsidenten Achim Baumann. Gleichzeitig wies Baumann aber darauf hin, daß der Grundsatz der Verschwiegenheit dann nicht mehr gelten könne, wenn sich ein V-Mann des Vertrauensbruches schuldig gemacht und etwa „schwere Straftaten“ begangen habe.

Da könnte auf Schmitt noch einiges zukommen, denn zur Zeit ist noch nicht sicher, ob der rechte V-Mann nicht mit der Düsseldorfer Behörde ein falsches Spiel getrieben hat. Ungewöhnlich ist, daß Schmitt trotz seiner Enttarnung nach Informationen der taz nicht abgetaucht ist und auch keinen Polizeischutz verlangt hat. Immerhin ging bei ihm in der Kampfsportschule die gewaltbereite neonazistische Szene ein und aus. Rechtsradikalen Parteien diente die von Schmitt gedrillte Kampftruppe als Saalschutz.

Mehrere Zeugen haben im Düsseldorfer Prozeß um den Solinger Mordanschlag ausgesagt, daß Schmitt nach dem Brandanschlag in der rechten Szene Informationen über den Tathintergrund zu gewinnen suchte. Als geheimer Aufklärer? Wohl nicht nur. Ein rechter Gesinnungsgenosse des Angeklagten Felix K. telefonierte am Tag nach der Tat vom Haus von K. aus mit Schmitt. Nach Aussagen des dabei anwesenden Zeugen Patrik L. soll sich Schmitt nicht nur nach möglichen Tätern erkundigt, sondern auch Warnungen vor der Polizei verbreitet haben: „Paßt auf, es könnte Hausdurchsuchungen geben.“

Die Enttarnung von Schmitt bringt auch den Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor in Bedrängnis, der unmittelbar nach dem Brandanschlag vom 29.5.1993 erklärt hatte, es gebe „keinerlei Anzeichen“ für eine besonders ausgeprägte rechte Szene in Solingen. Ähnlich äußerte sich Verfassungsschutzchef Baumann in geheimer Sitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag am 7.6.93: „Im Vergleich zu anderen Regionen war die Region Solingen kein besonderer Schwerpunkt des Rechtsextremismus.“ Den Abgeordneten gab Baumann seinerzeit alle möglichen Informationen über die Stärke und Struktur verschiedener rechtsextremen Parteien in Solingen – nur zu Hak-Pao, dem eigentlichen Zentrum, fiel kein Wort. Baumann verschwieg auch, daß der stadtbekannte Neonazi Bernd Koch zusammen mit Schmitt den Deutschen Hochleistungskampfkunstverband (DHKKV), ein bundesweites Sammelbecken für Rechte aller Schattierungen, gegründet hatte.

Unmittelbar nach dem Brandanschlag hatte Schmitt umfangreiches Aktenmaterial aus seiner Kampfsportschule, in der der DHKKV residierte, wegschaffen lassen. Die von Nachbarn herbeigerufene Polizei ließ Schmidt seinerzeit ungestört passieren. In einem Solinger Keller, der dem Vater von Schmitts Lebensgefährtin gehört, stieß die Polizei dann ein dreiviertel Jahr später auf das Material. Ob es noch vollständig war, steht dahin. Gut 55.000 Blatt Papier fanden die Beamten: nicht nur rechtes Propagandamaterial, sondern auch Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails, Observationsprotokolle und genaue Lageskizzen von überwiegend von Ausländern bewohnten Häusern in Bonn, Köln und Wuppertal. Es bedurfte erst eines Artikels im Solinger Tageblatt, bevor die zuständige Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sich ernsthaft mit diesem Fund beschäftigte.

Im Düsseldorfer Prozeß haben die Hinterbliebenen der Solinger Mordopfer die Einführung dieser Akten in den Prozeß beantragt. Eine Entscheidung steht noch aus. Die Bundesanwaltschaft hält die Beiziehung für „nicht geboten“, weil „neue Erkenntnisse in bezug auf die Tat nicht zu erwarten“ seien, so Bundesanwalt Fernholz. Nach Aussage von Fernholz hat das BKA die Akten längst gesichtet und nichts für den Prozeß Wesentliches gefunden. Lediglich die in den Prozeß eingeführten Aufnahmeanträge von K., B. und Gartmann für Hak-Pao entstammen dem Fund. Inzwischen ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen Schmitt und Koch wegen Unterstützung eines verbotenen Vereins – gemeint ist die verbotene „Nationalistische Front“.

Am heutigen Samstag findet in Solingen eine vom „Solinger Appell“ organisierte Demonstration statt. Für den Sonntag, den Jahrestag des Brandanschlages, ist eine Gedenkfeier der Stadt geplant. Daran werden die Angehörigen der Brandopfer ebenso teilnehmen wie Johannes Rau und Ignatz Bubis. Danach folgt die Enthüllung eines von Jugendlichen erstellten Mahnmals und eine Menschenkette zum Tatort.

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