In tiefer Sorge um die Brust

Unprofessionell beantwortet der Deutsche Amateur-Box-Verband (DABV) die Frage, ob Frauen wettkampfmäßig boxen sollen  ■ Aus Karlsruhe Peter Unfried

Die Brust, die Brust, immer wieder mußte die weibliche Brust herhalten. „Die Anatomie einer Frau“, wußte etwa Josef Fiedler, Vizepräsident des mittelrheinischen Box-Verbandes zu berichten, „ist nicht die eines Mannes.“ Und insbesondere deren Brust, glaubte der gestandene Kämpe im allerbestfortgeschrittenen Mannesalter, „müssen wir uns erst mal durch eine Studie erklären lassen“.

Niedrig waren die Decken im Karlsruher Hotel Eden, wo der Deutsche Amateur-Box-Verband (DABV) am Samstag tagte, etwas eng war es, nicht billig, nein, aber ein ganz klein bißchen muffig. Und die 40 Herren, zum Großteil reiferen Alters, konnten, obwohl sie es sich fest vorgenommen hatten, ihre Vorbehalte gegen die Einlaß verlangende Frau nicht einmal halbwegs verbergen. Eine Frau, die offizielle Boxkämpfe bestreiten will? „Als Theologin“, schmetterte mit bayrischer Gottesfürchtigkeit der dortige Verbandspräsident Joachim Henning der Tübingerin Ulrike Heitmüller entgegen, „wissen Sie sicher besser als ich, daß sich unser Herrgott etwas dabei gedacht hat, als er verschiedene Geschlechter schuf.“

Das Ganze hatte etwas vom dezenten Flair einer Kegelclubversammlung, es wurden formale („Stellen sich Frauen nackt auf die Kampfwaage?“), ästhetische, kosmetische und eben immer wieder drüsengewebstechnische Fragen erörtert, wurde auf das Reglement des Weltboxverbandes (AIBA) verwiesen, der den Kämpfer als allein männlich definiert, selbst unter die Gürtellinie geriet man in der Hitze des Gefechts, als man der boxen wollenden Frau „erlaubte Geschäftstüchtigkeit“ attestierte, untereinander aber heftig grummelte, die Dame wolle sich auf Kosten des Boxsports profilieren.

Nun hat Ulrike Heitmüller tatsächlich, seit sie Mitte Februar in der DSF-Talkshow „Offensiv“ erstmals eine (bescheidene) Öffentlichkeit erreichte, eine erstaunliche Medienkarriere hinter sich. An die 50 Printmedien haben sich der boxenden Theologin angenommen, zweistellig ist mittlerweile die Zahl ihrer Fernsehauftritte, das Spiel mit der Öffentlichkeit hat die Akademikerin schnell begriffen als „Knochenarbeit, die im großen und ganzen Spaß macht“. Mittlerweile kann sie sich das Gewerbe „ganz gut als Beruf vorstellen“. Daß es für Fernsehauftritte verhältnismäßig gutes Geld gibt, akzeptiert sie. „Dafür“, sagt sie, „kann ich wieder eine ganze Menge Interviews für Zeitungen machen.“ Für die Sache. Publicity macht Spaß, ja, aber in der Hauptsache will sie den Wettkampf, um ihre „Leistung kontrollieren zu können, als „boxende Frau ernstgenommen zu werden“, und weil sie nicht einsehen mag, daß ihr „alte Männer etwas verbieten“.

Im Spiegel sah man sie als Lederlady, im „Eden“ aber erschien sie züchtig-hochgeschlossen in kostümartigem Dunkelblau als eine Art Johanna der Boxringe. Hielt mit leiser Stimme ihr siebenseitiges Referat und ließ nur durch Augenaufschläge Ablehnung erkennen, als die Schläge (Ob jene auf die weibliche Brust schmerzen, mutmaßten die Mammokraten, „hängt natürlich auch davon ab, wieviel Brust Sie haben“.) auf sie herniederprasselten.

Der DABV hat natürlich in einigen wichtigen Punkten recht: Zwar gibt es einige boxende Frauen in Cottbus, Frankfurt/ Oder, Spandau und Hamburg, doch wie viele der über 6.000 weiblichen Mitglieder im Verband tatsächlich wettkampfmäßig boxen wollen, ist unklar. Die Tendenz weltweit, so will Verbandsarzt Kurt Merker neulich in Casablanca erfahren haben, sei sogar rückläufig. Zur Frage der Gesundheitsgefährdung gibt es allerhand sich widersprechende Meinungen. Die betagten Herren fürchten jedenfalls ihren jahrelang um eine „gesunde“ Reputation kämpfenden Sport erneut und dauerhaft zu diskreditieren. „Wenn Sie eine Entscheidung treffen“, sagte Präsident Kurt Maurath, „und sie ist falsch, sind Sie hinterher der Gelackmeierte.“

Der oberste Amateurboxer, obschon „aus einer Zeit stammend, in der man ein anderes Frauenbild hatte“, hat zumindest das Positive der Kampagne erkannt und „empfunden, daß die erreichte Öffentlichkeit gut war“. Doch das seinem Herrenclub zu vermitteln, gelang ihm nicht. Am Ende einigte man sich mit Mühe auf eine taktische Auszeit. „Die Hauptversammlung sei „nicht befugt“, befindet man und schiebt die Entscheidung bis zum Verbandskongreß im nächsten Mai hinaus. Eine Kommission wurde nicht gebildet. In der Zwischenzeit, so hofft man, möge sich die Sache von selbst erledigen.

Dem DABV-Präsidenten war hernach zumindest eines anzumerken. Er ahnte, daß man sich mit dem Motto „Abblocken statt Umarmen“ äußerst ungeschickt verhalten hatte. „Wenn sich schon eine Theologiestudentin hinstellt und sagt, Boxen ist ungefährlich“, seufzt Kurt Maurath, „dann glaubt man das.“

Aber: „An der Basis können sich's einfach viele nicht vorstellen.“ Anders formuliert: „Wenn die uns nicht in die Brust kneifen dürfen“, sprach Ulrike Heitmüller leicht pikiert, „glauben sie, wir dürften uns nicht draufschlagen.“