piwik no script img

Kalter Schulkrieg im Norden

■ Kieler Landeschefin empört über Zulassungssperre für Umlandschüler / Sanktionen angedroht: Keine Kinder, kein Müll Von Kaija Kutter

Schlecht Wetter zwischen Hamburg und Kiel. Die Ankündigung des Hamburger SPD-Schulsenatorin Rosemarie Raab, Schüler aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein ab 1995 nur noch in Einzelfällen aufzunehmen, hat für Empörung gesorgt. Schleswig-Hol-steins Ministerpräsidentin Heide Simonis, auch SPD, bezeichnete es als „enttäuschend“, daß nach all den Diskussionen um eine gemeinsame Regionalpolitik jetzt Vorschläge kommen, die sie als „nicht besonders freundlich“ betrachte.

Dabei müßten die Hamburger Genossen doch wissen, daß sie auf das Wohlwollen ihres nördlichen Nachbarlandes angewiesen sind. Simonis: „Sie werden in den nächsten Jahren für fast 100.000 Menschen im südlichen Schleswig-Holstein Wohnungen suchen.“ Auch sei der Hafenschlick „noch nicht deponiert“ und die Müllent-sorgung nach dem Auslaufen des Vertrags mit Schönberg ungeklärt. Hamburg und Kiel hätten sich darauf geeinigt, „Freuden und Lasten“ zu teilen. Aber „wenn die Hamburger immer wieder anfangen zu drohen“, mache das die Kooperation nicht leichter.

Schulsenatorin Rosemarie Raab hatte am Dienstag im Rathaus angekündigt, daß Hamburg künftig nur noch Kinder aufnehme, deren Sorgeberechtigten ihren Hauptwohnsitz in der Hansestadt haben. Zur Zeit gehen fast 7000 Schüler aus Schleswig-Holstein und 2500 aus Niedersachsen in Hamburg zur Schule. Die Zahl der Schüler mit „Scheinadressen“ wird noch höher geschätzt. Hannover zahlt einen Ausgleichsbetrag von rund 11 Millionen, Kiel zahlt 6,4 Millionen. Die Hamburg enstehenden Kosten bezifferte Rosi Raab jedoch auf 56 Millionen Mark.

Die Kieler Bildungsministerin Gisela Böhrk bezeichnete die Raab-Ankündigung gestern als „Theaterdonner im Vorfeld“ der gemeinsamen Kabinettssitzung am 17. Juni, bei der über dieses Thema gesprochen werden soll. Hamburg habe seine Verhandlungsposition festgelegt, endgültig entschieden sei die Angelegenheit nicht.

Die Ansprüche Hamburgs seien zudem nicht berechtigt, da Hamburgs Metropolfunktion beim Länderfinanzausgleich berücksichtigt würde. Auch sei die Zahl der Gastschüler seit 1990 um 10,6 Prozent gesunken. Gemeinden wie Glinde und Pinneberg haben eigene Gesamtschulen gegründet.

Gelassen sieht das Kultusministerium in Hannover dem Konflikt entgegen. „Es wird ja weiterverhandelt“, sagt Sprecher Heinz-Gunter Morell. Erst kürzlich habe man sich mit Bremen auf die Zahlung von 7,5 Millionen Mark geeinigt. Kiel habe wenig Grund zur Aufregung, da es ja bislang nur einen sehr geringen Betrag gezahlt habe.

Als „Gipfel des Provinzialismus“ bezeichnete hingegen der GAL-Politiker Kurt Edler den Beschluß: „Alle reden von Europa, Hamburg kämpft gegen Pinneberg“. Die geplante Meldekontrolle sei praktisch kaum durchführbar. Kinder, deren ältere Geschwister in Hamburg zur Schule gehen, hätten zu anderen Zeiten Ferien, merkt auch GEW-Sprecherin Anna Ammonn an. „Da schaukelt sich was hoch zu Lasten der Menschen in beiden Ländern“, kritisierte auch CDU-Fraktionschef Ole von Beust. Kiel und Hamburg hätten sich angewöhnt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die „Folterwerkzeuge“ vorzuzeigen. „Droht der eine mit Kostenbeteiligung an Schulen, droht der andere mit verminderter Müllabnahme.“ Dieser „Kalte Krieg“ zweier SPD-Länder müsse beendet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen