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Längst nicht nur Körbeflechten

■ Namibische Kulturschau ab morgen in Bremen: Pop, Bilder, Bücher und Theater

„Wohltätigkeit lehnen wir ab“, sagt Harald Schütt vom Verein für praktische Solidarität von Volk zu Volk streng. Wohltätigkeit sei eine überhebliche Position. Die Namibia-Kulturwoche, die der Verein zusammen mit dem Kulturressort jetzt organisiert hat, soll auch deshalb ausdrücklich nicht das Afrika des Hungers und Elends zeigen, sondern das ausdrucksstarke Afrika – ob das nun Rockmusik, Theater, Holzschnitzerei oder Korbflechtekunst ist.

Die namibischen PartnerInnen wollen aber nicht nur ihre Kultur zeigen, sondern auch wirtschaftlche Ergebnisse mit nach Hause nehmen. Deshalb präsentiert die gerade vierjährige Demokratie ihren wachsenden touristischen Sektor im World Trade Center, und deshalb wurde die Kulturwoche in die Nähe der weltweit zweitgrößten Fischmesse im Juni in Bremen geschoben – mit dem Erfolg, daß die namibische Fischwirtschaft auf der Messe nun doch einen Stand hat und an einem Seminar über die Vermarktung von Fisch in Europa teilnehmen darf.

Eigentlich war es in der Solidaritätsbewegung lange Zeit höchst umstritten, sich überhaupt mit „der Wirtschaft“ zu treffen. Doch die PartnerInnen in Namibia sagen heute zu den politischen UnterstützerInnen von einst: „Danke für die Unterstützung im Unabhängigkeitskampf – aber jetzt brauchen wir Geld, Schulen, Wirtschaft ... Also bitte, besorgt uns wirtschaftliche Kontakte.“ Was ganz Neues also ist die Zusammenarbeit zwischen dem Verein für praktische Solidarität und dem World Trade Center. „Neu, aber ganz im Sinne unseres Partners“, sagt Harald Schütt.

Trotzdem gibt's natürlich eine ganze Menge Kultur auf der Kulturwoche: So tritt am Freitag, 20 Uhr, 3.6., der populärste Popmusiker Namibias, Jackson Kaujeua, im Modernes auf; seine Musik ist von Bob Marley und Jimmy Cliff, aber auch von der traditionellen Musik seines Landes beeinflußt. Am Samstag um 20 Uhr spielt er dann zusammem mit Voodoo Child & Friends im Buntentorsteinweg 112. Am Sonntag, 5.6., 20 Uhr, in der Villa Ichon, liest Elizabeth Khaxas, Tochter einer Hausangestellten und heute selbst Leiterin einer Schule für Kinder schwarzer FarmarbeiterInnen. Elizabeth Khaxas ist in der Frauenbewegung engagiert und leitet Schreibwerkstätten für Frauen. Eine weitere Lesung ist am Donnerstag, 9.6., 20 Uhr, bei belladonna in der Sonnenstr. 9.

Was soll der Vater tun, dessen fünfzehnjährige Tochter schwanger ist? Mit solchen Fragen treten die SchauspielerInnen des National Theatre Namibia an ihr Publikum heran. Die Truppe will den Menschen mit ihrer Theaterarbeit das kolonialisierte Bewußtsein nehmen. Sie tritt am Dienstag und Mittwoch, 7. und 8.6., um 20 Uhr im Theater am Leibnizplatz auf mit einem Stück über die schwierige Wiedereingliederung von Frei-heitskämpfern. Zu einem umfassenden Erlebnis mit Gesang und Tanz lädt am Donnerstag, 9.6., 20 Uhr, im Schlachthof und am Sonntag, 12.6., 18 Uhr, in der Immanuel Gemeinde die Gruppe „Garere“ ein. (Über Vorträge und weitere Veranstaltungen informiert das taz-Wochenpro-gramm).

Die Bilder des ehemaligen Uranbergwerkers Joe Madisia sind auf dem Museumsschiff Friedrich am Anleger Bürgermeister-Smidt-Brücke zu sehen und zu kaufen, die Druckgraphiken des Exil-Namibiers John Muanfangejo hängen derzeit im Überseemuseum. Selber holzschnitzen, korbflechten und Stoffcollagen machen kann man unter Anleitung Freitag, 3.6. - Freitag 10.6., 10 bis 13 Uhr (außer 5.6.), Montag, 6.6. – Donnerstag, 9.6., 15 – 17 Uhr im World Trade Center in der Birkenstraße 15. Die selben Kurse am Samstag, 11.6. und Sonntag, 12.6. von 10 bis 16 Uhr in der Schlachthof-Schmiede.

Kontakt mit Namibia hat das Land Bremen übrigens schon lange – angefangen von der betrügerischen Landnahme durch den Bremer Adolf Lüderitz bis zu den schon früh für die namibische Unabhängigkeit engagierten Bremer Initiativen. Und seit kurzem ist das Land Bremen zuständig für die Realisierung des Kulturaustausches der Bundesrepublik mit Namibia. cis

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