: Mit dem Computer sprechen lernen
■ Zentrum für Hörschädigung setzt auf Frühförderung
Bissendorf Der vier Jahre alte Sebastian reagiert auf einen Trommelschlag: Immer wenn er das dumpfe Geräusch der Trommel wahrnimmt, steckt er einen bunten Plastikring auf einen hölzernen Stab – so wird das schwache Gehör trainiert. Das Spiel mit den Plastikringen ist nur ein Teil eines intensiven Therapieprogramms für Sebastian, der mit seiner Mutter aus einer Stadt in Sachsen in die Rehabilitationsklink Werscherberg in Bissendorf bei Osnabrück kam.
Dort haben die Ärzte und Sprachtherapeuten ein neuartiges Programm zur Frühförderung hörgeschädigter Kinder erarbeitet. Rund 200 000 Kinder gibt es in Deutschland, die hochgradig schwerhörig oder gehörlos sind. Im Bereich der Frühförderung schließt die Bissendorfer Klinik für eine kleine Zahl von Patienten eine Lücke. Die fünf Jahre alte Petra ist wie Sebastian extrem schwerhörig. Das morgendliche Einsetzen des Hörgerätes ist für sie zur Selbstverständlichkeit geworden. Im Übungsraum sitzt sie mit einem kleinen Mikrofon am Computer. Ein imaginärer Luftballon auf dem Bildschirm bläht sich wie von Geisterhand auf, wenn Petras Stimme immer lauter wird. Sie teilt das Schicksal der allermeisten schwerhörigen Kinder: Ihr Sprachsinn kann sich kaum entwickeln, weil sie kein Gefühl für Geräusche besitzt.
„Je früher die Schwerhörigkeit behandelt wird, desto besser sind die Chancen, Hör- und Sprechsinn der Kinder doch noch zumindest teilweise zu entfalten“, weiß Schönfeld, einer der wenigen Spezialärzte für Hörschädigungen bei Kindern (Pädaudiologe) in Deutschland. Optimal sei eine Diagnose mit etwa fünf Monaten, denn zu diesem Zeitpunkt lernten die Kinder sprechen, berichtet Schönfeld. Das Hör- und Sprechtraining zeige ebenfalls in diesem Alter den besten Nutzen. Das Gehirn könne die fehlenden Vernetzungen für den Gehörsinn am besten ausgleichen.
Eltern rät er, in dieser Lebensphase ihrer Kinder besonders aufmerksam Alarmsignale wahrzunehmen, die auf eine Hörschädigung deuten. Dazu gehöre zum Beispiel, wenn sich das Kind bei einem lauten Geräusch in der Umgebung nicht erschreckt.
Rolf Lampe, dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen