: Die versponnene Soft-Drink-Flasche
■ Ein neues Produkt auf den Outdoor-Markt / Die recycelte Polyesterflasche wird zur Klamotte
In den USA hat man der Kunststoffentsorgung eine eigene Note verliehen: Ausgediente Soft-Drink-Flaschen werden recycelt und zu Fäden versponnen. Zu Stoff verwebt, wird der ehemalige Kunststoffabfall dann in die Bundesrepublik entsorgt – unter dem Namen „Fleece“ geht der „Faserpelz“ hier, zu Jacken oder Hosen verarbeitet, für gutes Geld über den Verkaufstresen von Outdoor-Ausstattern. Vor allem „Walden Mills“ und „Dyersburg“ beliefern den deutschen Markt.
Seit dem Frühjahr diesen Jahres funktioniert der Rumpelstilzchen-Trick mit der versponnenen Cola-Flasche – noch freundet man sich in Deutschland mit dem neuen Produkt erst an. „Das erinnert an den Grünen Punkt“, findet Tina Kappeler, Geschäftsführerin von Quo Vadis in Bremen. Sie hat deshalb „gemischte Gefühle“ und setzt nicht auf große Werbeaktionen mit dem neuen Artikel, auch wenn sie ihn verkauft. „Das ist ja korrekt“.
Die großen Weiterverarbeiter, VauDe Sport (Tettnang) beispielsweise, nehmen den recycelten Plastikpelz erst nach und nach in die Produktpaletten auf; Jack Wolfskin (Möhrfelden) steigt erst ab 1995/96 in das Geschäft mit der Recycelfaser ein. Warum?
Man wolle das neue Material gründlich testen, um sicherzugehen, daß der Stoff nicht nur aussieht, wie die Neufaser aus „frischem“ Erdöl, sondern sich auch so verhält, sagt Ruth Blume, die zuständige Produktmanagerin. Man sehe bei Wolfskin durchaus „zwei Seiten der Medaille“ – einerseits sei das Produkt ein „Schritt in die richtige Richtung Ressourcenschonung“, andererseits wolle man mit dem Forcieren der Recycel-Ware „keinen Schindluder“ treiben. Recycling alleine sei keine Lösung für Umweltprobleme.
Von denen können sich selbst die naturverbundenen Outdoor-Ausstatter nicht freimachen: Naturmaterialien werden bei ihnen kaum gefragt. Wer schleppt zum Trekken im thailändischen Hinterland schon gerne den schweren Baumwollpulli mit, der, einmal naß geworden, nie wieder trocknet? Kunstoff dagegen ist leicht und glatt und wärmt und gilt dank des Erfindungsreichtums der Werbebranche sogar als „atmungsaktiv“. Trotzdem sei der Anstoß zur Wiederverwertung nicht von trekkenden oder radelnden NaturfreundInnen ausgegangen, die der Umwelt Abbitte leisten wollen. „Soweit ist das nicht in den Köpfen der Endverbraucher“, schätzt Susanne Roth.
Schuld sind vielmehr die US-amerikanischen Konsumgewohnheiten. Jenseits aller Pfandsysteme kommen dort Plastikflaschen noch und nöcher auf den Markt. Dank 9.000 Jacken mit mindestens 50 prozentigem Recycelanteil könnten nun 9.500 Kilogramm Plastikflaschen vorerst von der Deponie ferngehalten werden, verspricht der Pressetext der Herstellerfirma Walden. Die nimmt für die Umwelt weitere Last auf ihre Schultern: Die rohe Recycle-Faser koste im Einkauf 40 Prozent mehr als originales Polyester. KäuferInnen bekommen das im Endpreis nicht entsprechend zu spüren, rühmt man sich.
Läßt sich das reine Trekker-Gewissen also doch mit Geld erkaufen? Nein, von einem „Seelenbonbon“ will man auch bei VauDe nichts wissen – im Gegenteil. Hier nimmt man Recycling ernst: Schon jetzt ist ein leichter Recycel-Pulli zu haben; im Zuge der „Ecology“-Linie legt man Geschwindigkeit vor: Im Winter sollen zehn Recycle-Fleece-Produkte in den Handel kommen. Die Entwicklung der Zutaten sei schwierig gewesen : „Das Material wird schnell spröde“. Aber aus Polyester muß es schon sein: Wegen der ausgetragenen Faserpelze. Die können später wieder geschreddert werden – für die dritte oder vierte Wiedergeburt.
Die Wehen sind schon eingeleitet: Die „sortenreine“, aber ausgetragene VauDe-Ware können KäuferInnen wieder im Laden zur Wiederverwertung abgeben. Und was die Entsorgung US-amerikanischer Polyesterabfälle nach Europa angeht: Die Firma Walden ist bereits auf der Suche nach einem Standort in Europa. Dann kämen französische „Evian“ und „Vittel“Flaschen nicht länger nur auf den Tisch.
Eva Rhode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen