Plutonium aus der Bombenproduktion

■ Fund aus Baden-Württemberg muß beim Bombenbauen abgezweigt worden sein / Mindestens 10 Prozent hochreines Plutonium 239 / Internationale Atomenergiebehörde kennt keinen ähnlichen Fall

Stuttgart/Berlin (dpa/taz) – Ein Teil des spektakulären Plutoniumfundes in Baden-Württemberg stammt aus der Produktion von Atomwaffen. Dieses erste Ergebnis von Messungen am Europäischen Institut für Transurane beim Kernforschungszentrum Karlsruhe wurde am Mittwoch von dem baden-württembergischen Umweltminister Harald Schäfer (SPD) bestätigt.

Zehn Prozent der insgesamt etwa sechzig Gramm radioaktiven Pulvers sind danach hochreines Plutonium 239 mit einem Anreicherungsgrad von 99 Prozent, wie es nur bei der Herstellung von Atomwaffen entsteht. „Sechs Gramm hochreinen Plutoniums 239 bergen ein immenses Gefahrenpotential in sich“, stöhnte Schäfer. Man könne diesen Vorgang nicht ernst genug nehmen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien bestätigte die Brisanz. „Ein Fund in dieser Größe ist in meinen Unterlagen noch nicht aufgetaucht“, so IAEO-Sprecher Hans-Friedrich Meyer.

Über die genaue Zusammensetzung der restlichen neunzig Prozent des Plutoniums wollte Minister Schäfer am Mittwoch aus ermittlungstechnischen Gründen noch keine näheren Angaben machen. Das Europäische Institut werde weitere detaillierte Untersuchungen der chemischen, radioaktiven und physikalischen Eigenschaften der Probe vornehmen.

Bis zu dem Fund hatten die Behörden als Herkunftsland einen osteuropäischen Staat vermutet. Plutonium zur unmittelbaren Verwendung in Atomwaffen wurde in den vergangenen Jahren nur in der russischen Atomfabrik Majak (Tscheljabinsk-40), im Ural, und in den Plutoniumfabriken Tomsk-7 und Krasnojarsk-26 in Westsibirien hergestellt.

Das Plutonium war bereits Anfang Mai von der Polizei bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit Falschgeldermittlungen in Tengen (Kreis Konstanz) gefunden worden. Das radioaktive Pulver war in einem kleinen zylindrischen Bleibehälter gelagert worden. Im Zuge der Ermittlungen wurde ein zweiundfünfzigjähriger Geschäftsmann verhaftet. – Die Menge des gefundenen hochgiftigen Plutoniums reicht nach Einschätzung von Experten zur Herstellung einer Atombombe jedoch nicht aus. Dafür wäre unter optimalen Bedingungen eine Mindestmenge von 500 bis 600 Gramm reinstes Plutonium 239 notwendig. Im Jahr 1993 sind in der Bundesrepublik in 241 Fällen Ermittlungen wegen illegalen Handels mit Strahlenmaterial aufgenommen worden. Das war eine Steigerung von fünfzig Prozent gegenüber 1992. Waffenfähiges Plutonium wurde dabei allerdings weder sichergestellt noch angeboten. ten