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Ich brauche Klarheit

■ Frankfurts „Portikus“ soll durch eine Auktion vor dem Aus gerettet werden: Ein Gespräch mit dessen Leiter Kasper König

Frankfurts Ausstellungsort für moderne Kunst, der klassizistische Portikus, steht vor dem Aus. Retten soll das weltweit renommierte und von der Hochschule für Bildende Künste getragene Institut eine Benefizauktion am 9. Juni bei Sotheby's in Frankfurt. 76 KünstlerInnen, die seit der Eröffnung 1987 im „Portikus“ ausgestellt haben, stifteten dafür eines ihrer Werke, unter ihnen Gerhard Richter und Nam June Paik, Ulrich Rückriem und Stephan Balkenhol, Erik Bulatov, Ilya Kabakov, On Kawara, Katharina Fritsch, Jörg Immendorf, Ellsworth Kelly, Bruce Nauman, Claes Oldenburg, Sigmar Polke und Candida Höfer.

Der Verkaufserlös – Sotheby's verzichtet auf das sonst übliche Aufgeld, deshalb hofft man auf rund 1,5 Millionen Mark – wird zur unmittelbaren Weiterführung der Ausstellungstätigkeit im laufenden Jahr benötigt. Gerettet werden kann der Portikus aber nur, wenn die Stadt Frankfurt sich entschließt, ab 1995 einen eigenen Etat zur Verfügung zu stellen. Die taz sprach mit dem Direktor der Frankfurter „Städelschule“ und Portikus-Initiator Kasper König.

taz: Warum muß der Portikus betteln gehen?

König: Wir können die verschiedenen Satelliten wie das Institut für neue Medien und den Portikus nicht mehr finanzieren. Die Stadt leistet sich eine Kunsthochschule und sagt nicht, daß sie sich das gar nicht leisten kann. Sich zu beschweren nützt aber überhaupt nichts, also mußten wir uns etwas Listiges ausdenken. Und da war es naheliegend, die Künstler, die dort ausgestellt haben, jetzt mal zu fordern und zu fragen, ob es nicht sinnvoll sei, den Portikus auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Sotheby's war sofort bereit, die Auktion kostenlos durchzuführen und sich an der Werbung zu beteiligen. Außerdem hat uns die amerikanische Bank JP Morgan unterstützt. Es geht hier nicht um Repräsentation, sondern um Produktion, das wollen wir verdeutlichen. Und wir erhoffen uns nicht nur durch die Einnahmen eine Zukunft, sondern auch durch die Publicity.

Gefordert ist also die Stadt Frankfurt?

Der Magistrat sollte jetzt diskutieren, auch wenn weniger Geld da ist, welche Prioritäten bestehen und welch eine Wertschätzung dabei herauskommt. Möglicherweise gibt es andere Prioritäten, ich muß wissen, woran ich bin. Ich brauche Klarheit.

Glauben Sie, daß ein Museum für alte Kunst oder klassische Moderne in Frankfurt jemals hätte betteln gehen müssen?

Ein Museum hat eine ganz andere Aufgabe, eher wie ein Archiv oder eine Bibliothek. Da ist es absolut gerechtfertigt und notwendig, daß es vom Steuerzahler bezahlt wird, weil es quasi ein kollektives Gedächtnis parat hält. Das ästhetische Erlebnis ist ja immer ein ganz individuelles. Das meine ich gar nicht ideologisch, sondern ganz real. Museen im Stich zu lassen wäre sehr kurzsichtig und dämlich. Der Portikus war bisher in der Trägerschaft der Kunsthochschule, ohne diese Möglichkeit hätten wir dort viele Gastdozenten und viele Seminare gar nicht haben können. So konnten wir eine Produktionsstätte bieten, wo Inhalte sehr unvermittelt auf den Prüfstand gestellt werden.

Trotzdem muß beim Sparen immer zuerst die zeitgenössische Kunst dran glauben. Denken Sie nur an den Hamburger Kunstverein ...

Sie dürfen nicht vergessen, daß durch den Krieg und den darauf folgenden rapiden Aufbau in Frankfurt direkt nach dem Krieg dreißig Jahre lang in den kulturellen Bereich überhaupt nichts investiert worden ist, weil man das nicht für notwendig erachtet hat. Dann gab es eine Phase, in der man die Kultur instrumentalisiert hat, um das schlechte Image der Stadt zu ändern. Und genau in dieser Phase ist auch der Portikus gegründet worden, um sich ein bißchen lustig zu machen über diese einfältige Art, mit den Dingen umzugehen – in gewisser Weise als postmoderne Realität. Wenn man natürlich die Produktionsstätten des zeitgenössischen Denkens mißachtet, beraubt man sich einer Zukunft. Natürlich ist die zeitgenössische Kunst immer minoritär. Das Problem ist nur, daß dieses Minoritäre im politischen Raum immer populistisch als elitär hingestellt wird. Und das ist natürlich Unsinn. Innerhalb Frankfurts haben wir es durch die derzeitige kulturfeindliche politische Situation besonders schwer.

Wie soll es dann nach der Auktion weitergehen?

Wir hoffen, daß wir durch die Auktion auf jeden Fall ein Jahr Aufschub haben. Und dann müssen wir dafür sorgen, daß das wirklich zu einer öffentlichen Diskussion führt. In diesem Jahr hoffen wir auch, wieder eine Kuratorin oder einen Kurator engagieren zu können. Das ist eine Herausforderung für uns. Es hat überhaupt keinen Sinn, Wehklagen anzustellen. Wir müssen unsere eigene Position artikulieren, ohne selbst in populistische Argumentation zu verfallen. Es gibt ja wirklich auch keinen Grund dafür, daß die Gesellschaft Künstler unterstützt. Jemand, der auf dieser Hochschule war, kann deswegen noch nicht sagen, er sei Künstler. Deswegen muß man immer wieder die Frage stellen, welche Autonomie und welche Funktion hat die Kunst? Und warum soll nicht auch Frankfurt ein Ort sein, wo eine zeitgenössische Kunst sich artikuliert? Interview: Stefan Koldehoff

Benefiz-Auktion zur Rettung des Portikus Frankfurt, Sotheby's Frankfurt, 9. Juni 1994 um 20 Uhr im Frankfurter Hof. Katalog: 200 Seiten mit Farbabbildungen aller angebotenen Werke für 30 DM. Telefon 069-74 07 87

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