■ Italiens Gianfranco Fini zum „D-Day“: Grüße vom Postfaschisten an Mr. President!
Die Formeln sind seit Monaten bekannt und eingeübt, und Gianfranco Fini, Chef der Nationalen Allianz und nach eigener Aussage „Postfaschist“, ist der unübertroffene, mittlerweile auch hierzulande meiststudierte Meister in ihrem Gebrauch: Mussolini, der Originalfaschist, sei im Grunde gar nicht einer, sondern zwei gewesen. Der vor 1938 war der gute, der „sozialen Fortschritt gebracht“ habe; böse war nur der Mussolini nach 1938, „der die Rassengesetze unterschrieben hat“; so Fini erneut am gestrigen Freitag – passend zum Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton – in der italienischen Tageszeitung la Stampa. Hitlers Autobahnen lassen grüßen. Daß Mussolinis Schwarzhemdbanden schon in den ersten beiden Jahren seiner Machtübernahme (1922–23) hundertfach Oppositionelle zusammengeschlagen, den Abgeordneten Matteotti und andere Gegner ermordet haben, sind für Fini offenbar ebenso „gute“ Taten wie die ebenfalls vor 1938 durchgeführten Afrika-Feldzüge mit ihren Tausenden von Toten.
Nun hat sich Fini mit seiner aalglatten Sprache und seinem „Ja, aber“-Stil einen neuen Clou einfallen lassen: Der D-Day, die Landung der Alliierten, sei „zwar der Tag gewesen, an dem Italien und Europa die demokratischen Freiheiten wiedererlangt haben“ – jedoch, jedoch, „auch die kulturelle Identität Europas ging an diesem Tag verloren“. Auf Nachfrage erklärt er gerne, daß „er recht verstanden“ werden möchte – „die Freiheit wiederzugewinnen war das wichtigste“. Aber, aber, und wieder aber: „Die amerikanische Kultur, nach Europa transferiert, hat eine Menge Probleme gebracht.“ Ein Musterbeispiel der Geschliffenheit und Klitterei, der subtilen Relativierung, die sich mehr und mehr im öffentlichen Diskurs festsetzt. Heute müssen sogar schon Sprachkritiker herangezogen werden, um nazistische Konnotationen der Samtpfoten-Rechten offenzulegen.
Natürlich ist Kritik an der Hegemonie amerikanischer Kultur legitim; und viele im kritisch-aufgeklärten Milieu würden das vielleicht noch viel vehementer ausdrücken, ohne gleich mit dem Etikett des Antiamerikanismus versehen werden zu müssen. Aber Fini geht es gar nicht um die reale Kritik an der US- Kultur, sondern darum, der „untergegangenen“ Kultur Europas nachzuweinen, wodurch der Eindruck entsteht, diese sei doch besser gewesen als die der Amerikaner, und ... ja, dann ist der Schritt nur noch sehr klein bis hin zur Behauptung, Faschisten und Nationalsozialisten seien im Grunde – aggressiv, aber angesichts der Aufgabe verzeihlich – die Hüter dieser edlen Kultur gewesen. Das ist der Antiamerikanismus der Rechten in Reinstkultur.
Der Historiker Hans Meyer hat soeben einen Vortrag in Rom abgesagt, weil er „nicht in ein Land fahren will, wo Faschisten mit in der Regierung sitzen“. Schön gesagt. Nur: Wenn die Historiker nur dumpf grollen, statt die Klitterer zurechtzustauchen, wird diesen das Terrain genau in der Weise überlassen, wie sie es erträumen.
Werner Raith, Rom
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