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■ Die DGB-Gewerkschaften müssen flexibler werdenMehr Dienst am Kunden

Die deutschen Gewerkschaften tragen nur wenig Schuld daran, daß sie Mitglieder verlieren. Aber von ihnen hängt es ab, ob sie künftig ausreichend neue Beschäftigte gewinnen können. Ein paar Zahlen: Von 1991 bis 1993 sank die Mitgliederzahl der im DGB organisierten Beschäftigten von 11,8 Millionen auf 10,3 Millionen. Vorausgegangen war ein traumhafter Anstieg der Mitgliederzahlen durch den massenhaften Eintritt von Arbeitnehmern aus den neuen Bundesländern. Noch im Jahre 1990, also vor der Vereinigung, lag die Zahl der Mitglieder der im DGB organisierten Gewerkschaften nämlich bei nur 7,9 Millionen. Bedenkt man, daß die Zahl der Erwerbstätigen in den neuen Bundesländern vom Jahre 1990 bis zum Jahre 1993 um 2,5 Millionen zurückging, nimmt sich der Verlust an Mitgliedern sogar noch relativ bescheiden aus.

Der Rückgang ist nicht die Schuld der Arbeitnehmervertretungen, zeigt aber das Dilemma der Gewerkschaften. Die typischen Industriearbeitsplätze werden abgebaut. Um so nötiger ist es, Mitglieder in neuen Beschäftigtengruppen zu gewinnen. Bei den ArbeiterInnen zahlen 51 Prozent, bei den Angestellten aber nur 25 Prozent Mitgliedsbeiträge. In den alten Bundesländern machten die Frauen im Jahre 1991 nur 25 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder aus, in den neuen Bundesländern 49 Prozent. Frauen, Jugendliche und Angestellte sind das Feld, in dem die Arbeitnehmervertretungen künftig für sich werben müssen. Aber wie? Ganz einfach: indem mehr auf die Probleme dieser Beschäftigtengruppen eingegangen wird. Die Hauptsorge von Auszubildenden ist nun mal die Frage, ob sie später übernommen werden, nicht so sehr, ob sie später ein paar Prozent mehr oder weniger auf dem Gehaltsstreifen haben. Wenn die zuständige Gewerkschaft hier erkennen läßt, daß sie sich auch für betriebliche Problemlösungen interessiert, schafft sie sich neue Anhänger.

Die meisten Frauen und auch manche Männer beschäftigt die Frage, wie sie sich nach der Geburt des Kindes einen qualifizierten Teilzeitarbeitsplatz in ihren Betrieben einrichten können. Hilfreiche Betriebsräte wären hier eine Unterstützung. Angestellte der sogenannten technischen Intelligenz wiederum sorgen sich weniger um Fragen der tariflichen Arbeitszeitverkürzung. Sie werden sowieso immer nur am Endprodukt gemessen und müssen oft auch nach dem offiziellen Feierabend am Computer tüfteln. Die Probleme der Beschäftigten sind vielfältiger geworden und lassen sich durch das bloße Aushandeln von Flächentarifen nicht mehr lösen. Mehr Service muß her, mehr Know-how in der Rechtsberatung, andere Formen der kollektiven Unterstützung. Eine Zukunftsphantasie: Wie wäre es zum Beispiel, wenn eine ArbeitnehmerIn, die auf Teilzeit umstellen möchte, bei ihrer zuständigen Gewerkschaft eine Liste von Betrieben bekäme, die schon funktionierende Modelle eingeführt haben? Die Frau hätte eine Argumentationshilfe gegenüber dem Arbeitgeber.

Aber bis zur Verwirklichung solcher Phantasien ist es noch weit. Denn die Gewerkschaften befinden sich in einer paradoxen Situation: Helfen sie den Beschäftigten, sich gemäß ihren tatsächlichen Problemen zu organisieren, müssen sie einen Verlust ihrer Macht befürchten. Längerfristig aber dürfte die Hilfe zu realen Problemlösungen die einzige Zukunftsperspektive sein.

Barbara Dribbusch

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