piwik no script img

Unterm Strich

Im brasilianischen Film tut sich was: Dort ist „Lamarca“ von Sergio Rezende in den Kinos angelaufen. Der Erfolg scheint beträchtlich, zumindest haben bereits 68.000 Kinogänger das verfilmte Leben des 1969 desertierten Armeehauptmanns und Guerillaführers Carlos Lamarca gesehen, so die freudige Verlautbarung des Verleihs Riofilm. Auch die Kritiker sind begeistert darüber, das „Lamarca“ das brasilianische Kino aus einem mehrjährigen Koma aufgeweckt habe. Wer aber war Carlos Lamarca? Ein aufrechter Kämpfer, der Ende der sechziger Jahre eine nationale Erhebung gegen die Militärdiktatur (1964–1985) vorbereiten wollte, bevor ihn ehemalige Armeekameraden erschossen. Das ist allerdings Stoff, aus dem in Deutschland keiner Kinokassenknüller fertigt, vor allem nicht für umgerechnet eine Million US-Dollar Produktionskosten, was für brasilianische Verhältnisse noch eine ungewöhnlich hohe Summe darstellt.

Hierzulande fressen allein schon die Drehbücher zu Filmen wie „Momo“ oder „Himmel über Berlin“ solcherlei Kleinstbudgettöpfe ratzeputz leer. Deshalb gibt das Bundesinnenministerium, das in diesem Jahr sechs Filme und drei Drehbücher mit insgesamt 2,5 Millionen Mark fördern will. Michael Verhoeven, 1990 für seine Regie zu „Das schreckliche Mädchen“ mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, erhält bis zu 500.000 Mark für „Mutters Courage“, ein Film nach der Erzählung von George Tabori. Es ist eine Tabori- gemäße Groteske über das Überleben während des Holocaust. Man darf gespannt sein, wann Schäuble die Gelder wieder auf Eis legt: Auf eine deutsch verfaßte „Schindlers Liste“ darf er nämlich nicht hoffen.

Mystizistisch alpin dagegen das Thema, mit dem sich Joseph Vilsmaier nach seinem „Stalingrad“- Knüller die Produktionsmittel gesichert hat: „Schlafes Bruder“ zeigt das Leben eines Mannes, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem Bergdorf lebte und eine geniale musikalische Begabung besaß, die wir hier nicht verraten wollen, weil sonst der Vilsmaier ja gar nicht seinen Film mehr zu machen braucht. Ebenfalls gefördert wird „Das Schnarchen Gottes“ von Uwe Janson über einen bayerischen Schnorrer, Dichter und Trinker. Über die drei förderungswerten Drehbücher kann man nur wenig sagen, weil noch in Arbeit: Es sind „König Lear von Thiemenau“ von Manfred Freytag und Joachim Nestler, „Die Träumerin“ von Ivan Fila und „Nikolaushimmel“ von Ludger Jochmann. Tatsächlich – keine Revolutionäre dabei.

Roman Herzog, der neue Staatsobere, kann schon drei Wochen nach der Wahl seinen ersten kulturellen Verpflichtungen nachkommen: Er übernimmt die Schirmherrschaft für die diesjährigen Burgfestspiele in Jagsthausen, die seit 45 Jahren im Hof der historischen Burg des Götz von Berlichingen stattfinden. Wie sagte der Götz seinerzeit selbst: Er soll mich am Arsch lecken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen