: Kanzler ohne Freunde
■ Wie die CDU den Nachwuchs vergrault
„Ich hätte wirklich gerne gehört, was der Kanzler zu sagen hat“, sagt Christian Clawien, Sohn eines Bremer Pastoren. Aber dazu kam es am Freitag abend nicht – nicht seine Schuld, auch wenn er den Besuch des Kanzlers nicht allzu gut vorbereitet hatte.
Christian und drei seiner Freunde, alles Schüler des Alten Gymnasiums und keiner älter als sechzehn, hatten alles auf die letzten Restkarten gesetzt – mit Glück. Bei ein paar Ordnern der Jungen Union wurden sie fündig, zwar erst gegen neun Uhr, aber nicht zu spät für den Kanzler, dachten die Jugendlichen und glaubten nun den schwierigsten Teil des Abends überstanden zu haben.
Zwar hatten sie beim Betreten der Stadthalle noch den Spruch eines Ordners von draußen im Ohr, der ihnen „einen in den Arsch zu treten“ wollte, falls sie aus der Stadthalle rausflögen. Aber drinnen wähnten sie sich sicher. Wie es zu der Drohung kam? „Einer von uns hatte eine kleine Tröte dabei Und dann haben wir sehr genau hingeguckt, als der Kanzler beim Congresscentrum vorfuhr. Vielleicht war es auch, weil wir nicht so vornehm gekleidet waren“, mutmaßt Christian. Von zwei anderen Schulfreunden weiß er nämlich, daß sie sämtliche Hürden genommen hatten – im Anzug.
Richtig kompliziert wurde es jedoch erst in der Stadthalle. Warum? Da ist Christian allerdings ratlos und ein bißchen sauer. „Wir haben überhaupt nichts gemacht“, sagt er. „Aber wir wurden vom ersten Moment an von zwei Spezial-Polizisten beobachtet.“ Die Jugendlichen sollten ihre Jacken für 2,50 an der Garderobe abgeben, bei der Gelegenheit durchsuchten die Wachkräfte deren Jacken und Portemonnaies. Aber es kam schlimmer: „Weil zwei von uns um 22 Uhr zuhause sein sollten, mußten wir anrufen. Gerade standen wir in der Telefonzelle, da kam ein CDU-Ordner herein, fragte was hier los sei und zerrte uns, ohne auf unsere Antwort zu warten, aus der Zelle.“ Im Aufgebot mehrerer Wachkräfte wurden die Jungen dann aus der Stadthalle escortiert, ohne auch nur eine Begründung dafür zu erfahren. „Dabei hätte ich gene gehört, wenn der Kanzler sagt, daß die deutsche Karawane weiterzieht“, sagt Christian. Aber anscheinend wolle die CDU weiterhin bei einem konservativen Wählerpublikum zwischen 50 und 99 bleiben. „Da ist das genau die richtige Methode.“
Bis zur Bremer Europa-Wahlkämpferin Almut Haker, auch CDU-Mitglied im Ortsbeirat Schwachhausen, hat sich die Geschichte schon herumgesprochen. Aber die ist noch zurückhaltend: „Ich will erst mit dem Christian sprechen“. Wenn es allerdings so war, wie der Junge sagt, „dann fände ich das nicht schön“. „Bis zur Spitze“ würde sie dann gehen. ede
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