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Bremer Blick zurück in Depression

■ Statistisches Landesamt stellt seinen „Jahresbericht 1993“ vor / Die Rezession hat Bremen voll erwischt: Schrumpfende Wirtschaft, mehr Arbeitslose, weniger offene Stellen und geringere Steuereinnahmen

Tiefrote Zahlen aus einem rabenschwarzen Jahr: Das ist die Bilanz der Bremer Wirtschaft, die das Statistische Landesamt in seinem „Jahresbericht 1993“ mit trockenen Worten beschreibt.Wie bei jeder ordentlichen Statistik bestimmt auch bei diesem Bericht die Sichtweise ihre Einschätzung. So freute sich Wirtschaftssenator Claus Jäger über einen Prognosefehler: Nicht wie angenommen um 2,6 Prozent schrumpfte die bremische Wirtschaft im letzten Jahr, sondern „nur“ um 2,1 Prozent: Eine „erhebliche Verbesserung“, ließ der Senator verkünden, der 1993 schon wegen der Rettung der Klöckner-Hütte nicht als „schlechtes Jahr“ bezeichnen will. Bremen liege nur knapp über dem Bundesdurchschnitt von minus 1,9 Prozent.

Der Bundesdurchschnitt ist das eine, die absoluten Zahlen sind das andere. Und da war das vergangene Jahr für Bremen schlecht: „Bremen mußte 1993 einen Wirtschaftsabschwung hinnehmen, wie er in diesem Ausmaß seit vielen Jahren nicht mehr beobachtet wurde“, ist das Fazit der Statistiker. In fast jedem Punkt der Tabelle stehen bei ihnen dicke Minuszeichen: Der Aufschwung nach dem Fall der Mauer, von dem auch Bremen profitiert hatte, ist vorbei, die Konjunktur ist in ganz Deutschland wackelig in den Knien und Bremen ist da keine Ausnahme: Die Rezession hat das kleinste Bundesland voll erwischt:

Bevölkerung: Bremens Einwohnerzahl ist wieder rückläufig: Das Land hatte im letzten Jahr 681.800 EinwohnerInnen, 0,6 Prozent weniger als zum Jahresbeginn.

Arbeitslose: 1993 war ein Jahr der Entlassungen: Über 36.000 Menschen waren ohne Arbeit, was die Quote auf 12,4 Prozent hochdrückte (1992: 10,7). Im Bundesvergleich (8,2) steht Bremen damit weit schlechter da. Die Zahl der freien Stellen ging auf etwa 2.200 um fast 45 Prozent zurück. Etwa 306.000 ArbeitnehmerInnen standen im letzten Jahr sozialversicherungspflichtig in Lohn und Brot – 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr.

Löhne und Preise: Löhne und Gehälter stiegen weniger als im Vorjahr, nämlich etwa 5 Prozent. Die Preise stiegen um 4,2 Prozent.

Verarbeitendes Gewerbe: Dem Gewerbe ging das Jahr 1993 schwer an die Nieren. Der Jahresbericht vermerkt: „Die Beschäftigtenentwicklung zeigt im Frühjahr 1993 statt der leichten Erholung einen deutlichen Einbruch. Im Sommer trat statt einer kräftigen Belebung eine Stagnation ein und im vierten Quartal ging der Abschwung wesentlich über die normale Entwicklung hinaus. Über das Jahr 1993 verlor das Land Bremen gut 4.600 Arbeitsplätze in der gewerblichen Wirtschaft. Sogar während der konjunkturell bisher schwächsten Zeit in den 80er Jahren beschäftigten die bremischen Betriebe mehr Personen als derzeit.“ Der Bundestrend liegt hier allerdings noch schlechter.

Baugewerbe: Auch hier war im letzten Jahr Schluß mit lustig: „Nach einer mehrjährigen Phase des verhaltenen Aufschwungs erlebte das Bauhauptgewerbe im Lande Bremen 1993 einen massiven Einbruch, und zwar in einer Größenordnung, wie sie seit Mitte der achtziger Jahre nicht mehr registriert wurde.“ Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ist mit 12,3 Mio „die niedrigste seit dem ersten Bauboom der Nachkriegsjahre“, so der Bericht. Im Bundesvergleich steht die Bauindustrie, für die ein saisonaler Aufschwung im letzten Jahr ausblieb, schlecht da: Die übrigen norddeutschen Länder konnten im Gegensatz zu Bremen „von den Wachstumsimpulsen der neuen Bundesländer profitieren.“ Der einzige Sektor der Bauindustrie mit Zuwachsraten ist der Straßenbau, der um 2,4 Prozent wuchs.

Häfen: „Der Seegüterumschlag in den Bremischen Häfen belief sich 1993 auf 28,4 Mio Tonnen und lag damit um 5,3 Prozent bzw. 1,6 Mio Tonnen unter dem Ergebnis des Vorjahres“, bilanziert der Bericht. Auch der Binnenumschlag sank im Vorjahr, und zwar um 0,5 Mio Tonnen oder 9,2 Prozent.

Einzelhandel: Der Einzelhandel in Bremen schrumpfte 1993 um 3,5 Prozent. „Real, d.h. ohne Berücksichtigung der Preisentwicklung, lagen die Umsätze mit minus 5,3 Prozent noch deutlicher unter den Vorjahreswerten“, führt der Bericht aus. In der Innenstadt ging der Umsatz der Kaufleute gar um 3,8 Prozent zurück. Nur Textilien, Bekleidung, Schuhe und Leder wurden vom Abwärtstrend verschont.

Öffentliche Finanzen: „Gegenüber dem Vorjahr sank 1993 das Steueraufkommen im Lande Bremen deutlich . Die Einnahmen sanken um 5,2 Prozent auf 9,71 Mrd. Mark“, doch weniger als 5 Mrd. davon blieben in Bremen. Die Schulden Bremens betragen jetzt 17,4 Mrd. Mark bpo

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