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Ruanda: Krieg zum Ruhm Frankreichs?

Soll Waffenhilfe aus Zaire für Ruandas Regierungstruppen die Frankophonie in Afrika retten? Hinter realen Vorgängen steckt eine abstruse Strategie mit mörderischen Konsequenzen  ■ Von François Misser

Brüssel (taz) – Der zairische Botschafter in der Ex-Kolonialmacht Belgien ist hartnäckig: Nein, Zaire mischt sich nicht in den Bürgerkrieg in Ruanda ein, es spielt lediglich den „Vermittler“. Doch mehren sich Indizien, daß Zaires Staatschef Mobutu Sésé-Séko, der „Leopard“, tatsächlich seine Tatze auf Ruanda gelegt hat. Über die Grenzstadt Goma strömen Waffen aus Zaire in die regierungskontrollierten Teile des Landes: Maschinengewehre, Granaten, südafrikanische Mörsergeschütze aus Lieferungen der Jahre 1992 und 1994. Die zairische Zeitung Le Palmarès berichtete im Einklang mit Bewohnern der zairischen Grenzprovinz Kivu sogar von 50 Tonnen Waffen aus Bulgarien, die am 23. Mai auf dem Flughafen von Goma abgeladen worden seien.

Einheiten der DSP, der zairischen Präsidialgarde, sollen Mitte Mai 80 Kilometer weit auf ruandisches Territorium vorgedrungen sein, berichtet der Pariser Lettre du Continent. Sie hätten, heißt es, nicht an den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und der „Patriotischen Front Ruandas“ (RPF) teilgenommen, sondern in einem Militärlager beim Ort Rutshuru Kriegsflüchtlinge von der Hutu- Volksgruppe militärisch ausgebildet und unter dem Kommando eines Majors Imenete in die ruandische Armee eingegliedert. Der führende General der zairischen Zivilgarde, Kpama Baramoto, soll überdies die Überwachung des logistischen Nachschubs der ruandischen Regierungstruppen übernommen haben. Die RPF vermutet, daß Mobutu dabei mit der Duldung gewisser französischer Machtzirkel handelt. Die „Akazu“ – die Mitglieder des ruandischen Präsidialclans um den verstorbenen Staatschef Juvénal Habyarimana, darunter mehrere im April von französischen Militärs evakuierte Anführer von Todesschwadronen – genießen in Paris außerordentlich hohe Wertschätzung aufgrund der engen Freundschaft zwischen Habyarimana und Jean- Christophe Mitterrand, Sohn des französischen Präsidenten.

Präsident Mitterrand schrak im April nicht davor zurück, in seinem Élysée-Palast Jerome Bicamunpaka zu empfangen – Außenminister der nach der Ermordung Habyarimanas vom ruandischen Militär gebildeten Übergangsregierung, die für die Ermordung Hunderttausender verantwortlich gemacht wird. Der Minister soll zu dieser Gelegenheit eine Liste mit Einkaufswünschen übergeben haben: Geländewagen, Tarnuniformen, Geschütze, Granaten, Raketen, Mörser – insgesamt genug für 20.000 Mann.

Niemand hat aber bisher herausfinden können, ob Paris dieser Bestellung Folge geleistet hat oder nicht. Denn zwischen der Ruanda- Politik des französischen Präsidenten Mitterrand und der des französischen Außenministers Alain Juppé, der wie sein deutscher Amtskollege Klaus Kinkel das Geschehen in Ruanda ohne Beschönigung als „Völkermord“ bezeichnet hat, gibt es mehr als einen Hauch von Widerspruch.

Eine gewisse Lobby in Frankreich ist sich ganz sicher: Der Krieg in Ruanda ist ein Krieg zwischen der Frankophonie und der Anglophonie um die Führung in dieser Region Ostafrikas, stellvertretend ausgetragen zwischen dem frankophonen Mobutu aus Zaire und dem anglophonen Yoweri Museveni, Präsident Ugandas. Nach dieser Sicht der Dinge würde die Niederlage der ruandischen Regierungstruppen gegen die RPF, die zum guten Teil aus in Uganda aufgewachsenen Flüchtlingen besteht, einen Einflußverlust für Frankreich und die frankophone Welt bedeuten. Und daher müsse man Mobutu, Bollwerk der Frankophonie, helfen, mit allen Mitteln den ruandischen „Widerstand“ gegen die RPF zu stützen.

Im Gegenzug für solche Dienste an Frankreich bekäme der „Leopard“ den Respekt zurück, der ihm in den letzten Jahren verlorengegangen ist. Dafür, so schreibt der Lettre du Continent, gebe es einen Konsens zwischen den Afrika-Politikern im Élysée-Palast und jenen um den Rechtspolitiker Jacques Chirac wie dem einstigen Geheimdienstleiter Jacques Foccart und dem Ex-Entwicklungsminister Michel Aurillac. Dagegen stünden Außenminister Alain Juppé und Premierminister Edouard Balladur.

Der Mobutu-Fanclub wird nach dieser Darstellung komplettiert durch den ehemaligen Afrika- Staatssekretär im US-Außenministerium, Herman Cohen. Der hat in diesem Jahr zweimal Mobutus Privathauptsadt Gbadolite besucht, in Begleitung von Max Olivier Cahen, Sohn des ebenfalls Mobutu wohlgesinnten Alfred Cahen, Belgiens Botschafter in Paris. Zusammen versuchen sie angeblich, die eher auf Unterstützung der demokratischen Opposition ausgerichtete Zaire-Politik der USA, Frankreichs und Belgiens zu „korrigieren“. Hilfreich für Mobutu sind dabei auch Beziehungen zum israelischen Agrargeschäftsmann Leon Tamann und zum auch in Kreisen des angolanischen Rebellenführeres Jonas Savimbi, eines weitereren Mobutu-Freunds, bekannten Diamantenhändler Maurice Tempelsman.

Aber was für einen Vorteil erhofft sich der „Leopard“ von einem Eingreifen in den Bürgerkrieg vor seiner Haustür? In Zaire gibt es eine größere ruandische Gemeinde, und eine offene zairische Parteinahme für die Völkermörder könnte zu einem Übergreifen des Konflikts auf die zairische Nachbarprovinz Kivu führen, wo bereits im vergangenen Sommer Zehntausende von Menschen in einem Krieg zwischen Einheimischen und „Ruandern“ starben. Das könnte die RPF auf den Plan rufen. Mobutus Präsidialgarde lernte aber bereits 1990, als sie beim Ausbruch des ruandischen Bürgerkrieges kurzzeitig Habyarimana unter die Arme griff, wie sie sich an der ruandischen Guerilla die Finger verbrennen kann.

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