: Diskriminierung überall
■ Uni mit bundesweit erster Arbeitsstelle gegen sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz eröffnet
„Einen diskriminierungsfreien Betrieb – das gibt's nicht. Von sexueller Diskriminierung betroffen sind 100 Prozent aller Frauen.“ An der Universität können sich Frauen bereits seit einiger Zeit an die Juristin und Sozialwissenschaftlerin Sabine Klein-Schonnefeld wenden – wenn der Professor die Kurvendiskussion allzu wörtlich nimmt, erniedrigende Witze in die Vorlesung einbaut, Pornos im Postfach landen und frau an manchen Typen grundsätzlich nicht ohne Körperkontakt vorbeikommt. Gestern nun wurde die bundesweit erste „Arbeitsstelle gegen sexuelle Diskriminierung und Gewalt am Ausbildungs- und Erwerbsplatz“, kurz ADE, offiziell eingeweiht – mit Unterstützung der Universitätsleitung und der Senatoren Scherf und Kröning. Denn Sabine Klein-Schonnefeld und ihre Kollegin Ursel Gerdes werden ihren Feldzug gegen den ganz alltäglichen Sexismus, Herabwürdigung, Zwang und Gewalt in Kooperation mit dem bremischen öffentlichen Dienst antreten.
Parteiliche Beratung für Betroffene bietet die ADE ebenso an wie Fortbildungen für MitarbeiterInnen öffentlicher Dienststellen – und das erstmal unter sich. „Frauen sollen erstmal untereinander über spezifische Wahrnehmungen diskutieren und lernen, mit diesen Unterschieden umzugehen“, so Klein-Schonnefeld. Denn das sexistische Plakat, das die eine jeden Morgen an der Bushaltestelle an ihre Grenzen bringt, nimmt die andere vielleicht gar nicht wahr; die wiederum machen die ständigen zweideutigen Sprüche der Kollegen wahnsinnig. Ziel ist es, die Solidarität und das Selbstwertgefühl der Frauen zu stärken – „und damit auch die kollektive Selbstwehrmöglichkeit“. Erst dann geht es in die heterosexuelle Auseinandersetzung.
Die beiden ADE-Frauen konnten bereits erste Erfolge erzielen: Immer im Einverständnis mit den Betroffenen wurde bei strafrechtlich relevanten Übergriffen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, und Beschwerden von Frauen führten zu Gesprächen mit Vorgesetzten. Die haben im öffentlichen Dienst ebenso wie an der Universität seit 1993 die Anweisung, sexuelle Diskriminierung zu ahnden und den Betroffenen Schutz zu bieten. Manchmal reiche schon ein Gespräch unter Kollegen – so von Mann zu Mann – um den notorischen Sexisten zur Räson zu bringen. Schwerere Geschütze als Verwarnungen sind allerdings in der Dienstanweisung nicht vorgesehen, sofern sie nicht strafrechtlich relevant sind. Der Schwerpunkt der ADE, an der Entwicklung dieser Dienstanweisung maßgeblich beteiligt, wird nun durch Thematisierung und Aufklärung mittels Fortbildungen versuchen, die MitarbeiterInnen und Frauenbeauftragte, Betriebsräte, Vorgesetzte und AusbilderInnen zu sensibilisieren. Als „Teil einer positiven Personalentwicklung“ bezeichnete es gestern Finanzsenator Volker Kröning: Der öffentliche Dienst setzt nicht nur auf institutionelle Frauenförderung, sondern auch auf das Verbot der vielen kleinen Hindernisse, die Frauen ein Vorankommen unmöglich machen – schon weil sie zuviel Kraft in die Abwehr männlicher Anmache stecken und so ihre Arbeitskraft nie voll entfalten können.
Für die Neuorganisation des öffentlichen Dienstes könnte im übrigen folgende Theorie Sabine Klein-Schonnefelds interessant sein: Sexuelle Diskriminierung und Gewalt dient der Aufrechterhaltung und dem Ausspielen von Macht. „Je hierarchiefreier, kollegialer und kooperativer die Arbeitszusammenhänge organisiert sind, desto weniger Diskriminierung gibt es.“ Je größer das Machtgefälle, desto größer die Gefahr für die Frauen – denen Klein-Schonnefeld, entgegen der landläufigen Meinung, ein „erschreckend niedriges Rachebedürfnis“ attestiert: „Die wollen eigentlich nur endlich in Ruhe gelassen werden.“
skai
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