Statistische Dunkelziffer

■ BKA sieht Bremen bei Vergewaltigung an erster und bei Mord an dritter Stelle

Wie gefährlich lebt es sich in Bremen? Wenn es nach einem heute veröffentlichten Bericht der Illustrierten „stern“ über diese ewig gleiche Frage geht, könnten die BremerInnen kaum ruhig schlafen. Denn ein Vergleich von Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigt laut „stern“, daß die Hansestadt bei der Häufigkeit von Mord und Totschlag den dritten Rang unter deutschen Großstädten einnimmt und bei Vergewaltigungen sogar auf Platz Eins der Liste landet. Dabei ist die allgemeine Kriminalität in Bremen im vergangenen Jahr laut Statistik der Bremer Polizei um fünf Prozent zurückgegangen.

Der „stern“ bezieht sich auf eine Statistik des BKA und auf eine simple Rechnung, die die Gesamtzahl aller Straftaten auf die Bevölkerung umrechnet und dadurch „die Belastung der Bevölkerung durch Kriminalität am zuverlässigsten“ ausdrückt. In dieser Rechnung wiegt also Schwarzfahren ebenso schwer wie Mord. Und bei diesen Zahlen hat Bremen sich enorm verbessert: es liegt an Platz zehn der deutschen Großstädte, wogegen es 1992 noch den vierten Rang einnahm. Darauf hat Innensenator Friedrich van Nispen schon im Februar bei der Vorstellung der Bremer Kriminalitätsstatistik stolz hingewiesen.

Auch bei den Tötungsdelikten und Vergewaltigungen lohnt ein näheres Hinsehen: „Von den insgesamt 59 Fällen von Ermittlungen in Sachen Mord und Totschlag waren 18 vollendete Taten und 41 Versuche, die in die Statistik miteingehen“, sagt Merve Pagenhardt von der Innenbehörde.' „Der Anteil von Mord, Totschlag und Vergewaltigung an der Kriminalität ist unter einem Prozent, zwei Drittel sind Diebstähle.“ Bei den Vergewaltigungen (80 vollendet, 66 versucht) habe es eine leichte Zunahme gegeben, aber die Zahl liege noch im Mittelwert der letzten zehn Jahre.

„Man kann keine Entwarnung geben“, sagt Merve Pagenhardt. „Aber wir wissen auch, daß wegen der engen Kooperation zwischen Polizei und Opferhilfe nach dem Bremer Modell eine höhere Bereitschaft zur Anzeige gibt als in anderen Städten.“ Soll heißen: Möglicherweise ist die sowieso schon hohe Dunkelziffer bei Vergewaltigungen in Bremen nur etwas geringer als anderswo.

In Bremen kamen 1993 laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik pro 100.000 EinwohnerInnen 16.600 Straftaten. Dabei erfaßt die Statistik bereits die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Innensenator van Nispen riet bereits im Februar zu einem vorsichtigen Umgang mit den Zahlen: „Dies ist eine reine Polizeistatistik. Wenn wir uns umfassend über die gesamte Kriminalität informieren wollen, müßten wir auch die Anklagestatistik der Staatsanwaltschaft, die Verurteilungsstatistik der Gerichte und die Dunkelfeldforschung auswerten.“

Die Aufklärungsquote der Polizei lag im letzten jahr in Bremen bei 41 Prozent aller gemeldeten Delikte. bpo