piwik no script img

Länder gegen Berlin

■ Diepgen hat keine Angst vor Ausschluß aus der Tarifgemeinschaft / Keine unmittelbaren Folgen für Berlin

„Mit großer Gelassenheit“, so der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) in seiner gestrigen Regierungserklärung, sehe er der Zusammenkunft der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am Montag entgegen. „Ich weiß nicht, woher der Berliner Senat seine Zuversicht nimmt“, meinte hingegen TdL- Geschäftsführer Jürgen Peter gegenüber der taz. Zwei bis drei Länder hätten ihm gegenüber angekündigt, gegen Berlin einen Ausschlußantrag zu stellen. Weitere Mitglieder seien bereit, diesem Weg zu folgen.

Auf der Tagesordnung in Düsseldorf steht am Montag vormittag die Entscheidung des Senats, die Löhne für die Ostberliner Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in drei Stufen bis zum Oktober 1996 an das Westniveau anzugleichen. Mit seinem Schritt geht Berlin weit über den Bundestarifvertrag, der 1994 eine Erhöhung auf 82 und im Oktober 1995 auf 84 Prozent vorsieht.

In der Zahlung übertariflicher Zulagen sieht die TdL einen Verstoß gegen die Satzungbestimmungen. Der Ausschluß, dem drei Fünftel der 16 Länder zustimmen müssen, hätte für Berlin zunächst keine unmittelbaren Folgen. Berlin fiele aus dem Bundestarifvertrag für den öffentlichen Dienst heraus und müßte künftig auf Landesbene gesonderte Abschlüsse mit den Gewerkschaften aushandeln. Diese könnten, so Peters Befürchtung, „weit über die jetzigen Zahlungen hinausgehen und damit zum Auseinanderfallen des Tarifrechts führen“.

In solch einem Fall sei es denkbar, daß Berlin aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ausgeschlossen werde. Grundlage für deren Mitgliedschaft ist die Verpflichtung der Länder, „wesentlich gleiches Tarifrecht“ anzuwenden. In die Verantwortung der VBL in Karlsruhe, der neun Länder angehören, fällt die Auszahlung von Zusatzrenten an Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland.

Die Aufnahme der ostdeutschen Länder und Ostberlins wurde 1993 zwar diskutiert, aber nicht beschlossen. Daher ist es juristisch umstritten, ob Berlin mit seinen ausdrücklich nur für den Ostteil der Stadt gedachten Zulagen überhaupt das Satzungsrecht der VBL verletzt. Ob sich ein Rausschmiß aus der TdL auf die weitere Mitgliedschaft in der VBL auswirkt, wird in Karlsruhe mit Skepsis betrachtet. „Ein Ausschluß von Berlin ist in unserem Haus bis jetzt weder erörtert noch geprüft worden“, erklärte gestern der Leiter des Vorstandsbüros bei der VBL, Werner Boehringer, gegenüber der taz. Sollte die VBL-Spitze sich für einen solchen Schritt entscheiden, könnte dies die Berliner teuer zu stehen kommen. Da die TdL verpflichtet ist, die Auszahlung an die Berliner Rentenempfänger weiterzuführen, müßte das Land seinen Zahlungsstopp mit einer Ablösesumme entgelten. Diese wird nach Angaben von Boehringer auf 20 bis 30 Milliarden Mark geschätzt. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen