: Kein Filetsteak vom Britenrind
■ Bund und Länder einigen sich auf ein Schlachtverbot für die 10.000 in Deutschland gehaltenen Rinder britischer Herkunft / Bestände werden lebenslang beobachtet, Transporte bedürfen einer Genehmigung
Berlin (taz/ap) – Die 10.000 britischen Rinder auf deutschen Weiden und in deutschen Ställen sind vor dem Schlachter sicher. Nach einem Gespräch der zuständigen Referenten von Bund und Ländern verkündete das Bundeslandwirtschaftsministerium gestern ein Schlachtverbot. Der Grund: Deutsche Tierärzte hatten bei drei Tieren den sogenannten Rinderwahnsinn (Bovine Spongiforme Enzephalopathie – BSE) festgestellt. Die Krankheit, an der in Großbritannien schon 130.000 Rinder verendet sind, steht im Verdacht, auf andere Säugetiere, möglicherweise auch auf den Menschen, übertragbar zu sein.
In den vergangenen Wochen hatten die Länder Hessen, Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, NRW und Rheinland-Pfalz im Alleingang Verbote nach dem Tierseuchengesetz oder dem Fleischhygienegesetz erlassen.
Bundesweit gibt es nach einer Schätzung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) 8.000 bis 10.000 Rinder britischer Herkunft. Rund 4.500 davon sind in Zuchtbüchern auf Länderebene verzeichnet. Über die andere Hälfte gibt es keinen genauen Überblick, wie Marietheres Förster vom DBV einräumt. Die britischen Behörden weigerten sich, die Namen von Betrieben zu nennen, in denen BSE aufgetreten sei, so Förster.
Der Bauernverband und die Zuchtverbände würden die Bauern jetzt zwar drängen, alle in Frage kommenden Tiere zu melden: „Aber es hat niemand mehr den Mut, sich zu melden“, beobachtet Förster. Die Konsequenz wäre, daß die Tiere nicht mehr verkauft werden könnten. „Die haben Angst um ihre Existenz.“
Auch Harald Hansen, der zuständige Referent beim rheinland- pfälzischen Umweltministerium, räumt ein, daß man wahrscheinlich nicht alle Tiere wird erfassen können. Die Beamten in seinem Bundesland hätten über persönliche Beobachtung, staatliche Daten und die gute Zusammenarbeit mit den Bauernverbänden 151 britische Tiere gefunden. „Ich rechne mit einer geringen Dunkelziffer.“
Streit gab es gestern noch über die Rechtsgrundlage und den genauen Umfang des Schlachtverbots. Während es im Bundeslandwirtschaftsministerium hieß, Rechtsgrundlage sei das Fleischhygienegesetz, hatten die Länder Rheinland-Pfalz und Niedersachsen ihre Verbote nach dem Tierseuchengesetz ausgesprochen. Und während der Bund meinte, nur Tiere, die in Großbritannien geboren worden seien, sollten erfaßt werden, erfassen einige Bundesländer auch deren Nachkommen. Bayern will eine Meldepflicht auch für Rinder, deren Herkunft unklar ist. Und in Sachsen-Anhalt werden künftig sogar alle Rinder registriert, die mit britischen Artgenossen in einem Stand gestanden haben. „Die werden wir lebenslang beobachten“, so Landestierarzt Guntram Lesch.
Deutsche Wissenschaftler haben die Bundesregierung unterdessen erneut aufgefordert, strenge Maßnahmen zum Schutz gegen Rinderwahnsinn zu ergreifen. Solange der Erreger der BSE unbekannt sei, dürften aus infizierten Herden weder Tiere noch Fleisch oder Tierkörpermehl in die Bundesrepublik eingeführt werden, sagte der Leiter des Pettenkofer-Instituts beim Bundesgesundheitsamt, Arpad Somogyi.
Obwohl es noch immer keine Beweise für eine Übertragung der Krankheit auf den Menschen gebe, könne diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden. Experimentell sei bereits erwiesen, daß BSE auf andere Tierarten übertragen werden könne. Bei Katzen sei eine natürliche Infektion über die Nahrung offensichtlich bereits erfolgt.
Die bisherige EU-Regelung, wonach Fleischimporte aus Großbritannien auch aus Herden stammen dürfen, in denen BSE-Fälle aufgetreten waren, wenn Knochen sowie sichtbares Nerven- und Lymphgewebe entfernt wurden, reiche nicht mehr aus. Unter Produktionsbedingungen sei nicht gewährleistet, daß alles infizierte Gewebe herausgeschnitten werde. Hermann-Josef Tenhagen
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