: Immobilienköder soll Umzug beschleunigen
■ Finanzsenator bietet Unternehmen und Verbänden 22 Filetgrundstücke zum Schleuderpreis an / Interesse ist gering
Für wichtige Wirtschaftsunternehmen, große Organisationen und Parteien tut Berlin alles. Es verkauft notfalls sich selbst, um den Umzug der Verbände an die Spree zu beschleunigen. Nach den Ansiedlungserleichterungen für Verbände und Millionengeschenken an Daimler-Benz und Sony, deren Bauvorhaben am Potsdamer Platz von Stellplatzabgaben befreit wurden, plant Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU), gezielt landeseigene Filetstücke und Immobilien an Unternehmen zu verhökern. 22 Gebäude und Grundstücke, so der Finanzsenator gestern, sollen als Immobilienköder ausgelegt werden. Diese würden zu einem reduzierten Kaufpreis speziellen Industrie- und Wirtschaftsverbänden angeboten, aber auch an Parteien und Botschaften veräußert werden, um deren Hauptstadtumzug mit einer attraktiven Adresse zu beschleunigen. Damit soll der schlappe Wirtschaftsstandort geliftet werden.
Unter den angebotenen Liegenschaften befinden sich beispielsweise das „Haus des Lehrers“ am Alexanderplatz, das ehemalige Verwaltungsgericht in der Hardenbergstraße, Häuser und Grundstücke in der Jäger-, Friedrich- und Wilhelmstraße, am Prager und am Stralauer Platz. In Berlin Mitte kostet derzeit der Quadratmeter Boden zwischen 8.000 und 15.000 Mark.
Die kommunalen Grundstücke und Bauten, sagte Pieroth, würden bis zum 30. Juni 1995 zu 75 Prozent des Verkehrswertes angeboten. Die Voraussetzungen für die Verbilligung bestünden darin, daß die „Interessenten sich verpflichten, ihre Hauptgeschäftsstelle nach Berlin zu verlegen und ihr Bauvorhaben drei Jahre nach Vertragsabschluß fertig zu stellen“. Spätestens fünf Jahre nach dem Kauf müsse das Gebäude von den Unternehmen und Organisationen selbst genutzt werden. „Wir erhoffen uns dadurch ein zusätzliches beschäftigungspolitisches Signal“, betonte Pieroths Sprecher Klaus-Hubert Fugger. Die Verwaltung führe mit 38 Verbänden bereits Gespräche. Einen konkreten Fisch hatte Fugger allerdings nicht an der Angel. Zu den interessierten Bewerbern zählen so potente Verbände wie der Bund der Deutschen Arbeitgeber, der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Verband der Automobilindustrie, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die CDU und die FDP.
Der Finanzsenator verschenkt mit diesem Angebot nicht nur weitere Millionen Mark – während landeseigene Verwaltungen anderswo etwa Büromieten löhnen müssen. Die Offerte käme zudem in einigen Fällen einer unnötigen Begünstigung gleich. Haben sich doch viele Verbände und Parteien bereits auf den Umzugstermin eingestellt, der Pieroths „Deadline“ nur wenig überschreiten wird. Die CDU, so ihr Sprecher Krautscheid, habe etwa in ihrer Satzung festgelegt, ihre Bundesgeschäftsstelle bis zum Parlamentsumzug „bezugsfertig zu haben“. Über eine Immobilie und einen konkreten Termin sei indessen noch keine Entscheidung gefallen. Auch scheint es für große Wirtschaftsverbände noch immer keine „patriotische Pflicht“ (Helmut Kohl), sich schleunigst Berlin zuzuwenden. So sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie seine Zukunft sowohl in Brüssel als auch in Berlin – bis vielleicht ein Superangebot kommt. Rolf Lautenschläger
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