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Kopfstand der Sinne

■ Klanginstallationen im Altonaer Hinterhof: ein Haus mit hörbarer Kunst

Ob Sie durch die kleine Seiten- oder die große Gartentür eintreten, bleibt gleich: Sie werden sich in einem Foto wiederfinden, das die Eingangssituation spiegelt und Sie werden sich in hängenden Monitoren sehen, die Sie in Ihrer jüngsten Vergangenheit zeigen.

Dies widerfährt Ihnen in einem Altonaer Hinterhaus, ein dreistöckigen ehemaligen Fabrik-und Lagerhaus aus dem 19. Jahrhundert, das zu einem versteckten Ort künstlerischer Aktivitäten wurde. Die koreanische Künstlerin Jungwha Jung installierte Kameras und frei im Raum hängende Bildschirme, Transparentspiegel und Spiegel-Foto-Montagen: Zeit- Perspektiven ist ein komplexes Spiel mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten eines Ortes und ein vielfältig reflektierter Beitrag zum Hamburger Architektursommer.

Die Räume immateriell verändert hat der Hamburger Klangkünstler Heinz Weber. Für jede Etage des Hauses hat er Kompositionsregeln aufgestellt, die aus Zeitspuren des Gebäudes abgeleitet wurden: Die Anordnung der Neonröhren übersetzte Weber in eine Partitur, die Form der Wandflecken und Putzrisse wurde in ein Tonschema umgesetzt, Zeichnungen aus einem alten Katalog von Präzisionswerkzeugen wurde als Spielvorgabe genutzt. Die entstandene Musik wird im Treppenhaus der jeweiligen Etage wieder zugeordnet, das 28 Minuten lange, meditative Stück ist im Keller als Ganzes zu hören. Titelgebend für die Arbeit Raum der Zahlen ist eine Zahlenreihe, die im ehemaligen Luftschutzkeller des alten Fabrik-Gebäudes mit schwarzer Farbe an die Wand gemalt worden war. Ihr einstiger Sinn konnte bisher nicht entschlüsselt werden. Jetzt hat sie einen künstlerischen Zweck bekommen – sie dient als Matrix für eine Klaviersequenz mit Gitterrost- und Wandhaken-Percussion. So gibt sie in dem inzwischen weißen Kellerstudio einen verschlüsselten Hinweis auf die verborgene Geschichte des Ortes. Das 1990 gegründete und letztes Jahr nach umfangreicher Renovierung eröffnete Spritzenhaus versteht sich als Forum für den Grenzbereich der akustischen Kunst. Die Organisatorin Margarete Zander, im Hauptberuf Redakteurin beim NDR, brachte ihre Erfahrungen aus den Lofts der nachhaltig von Cage und Fluxus geprägten New Yorker Musikavantgarde ein, Heinz Weber seine übergreifenden Erfahrungen als Künstler, Musiker und Klangkonstrukteur. Beider Arbeit ist nicht auf den Präsentationsort in Altona beschränkt: Im vergangenen Jahr hatten sie zur Mediale von hier aus Bill Fontanas Klangachse Marseille – St.Petersburg organisiert. In Zukunft soll noch manche Überraschung für's Ohr geboten werden. Hajo Schiff

Katalog 10 Mark, Spritzenplatz 12, Hinterhaus, geöffnet täglich 17-20 Uhr bis Donnerstag, 16.Juni

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