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Schwarze SerieMit den Wölfen säuseln

■ Über das peinvolle Verlangen nach den „Bremer Bildern“

Sie geben einfach keine Ruhe mehr. Der Russe soll die Bremer Kunstschätze wieder herausrücken, und wenn noch weitere Jahrhunderte herumverhandelt werden muß oder auch nicht, weil wir können evtl. auch anders. Vorderhand haben wir schon mal Töne! Die Kultursenatorin stellt sich hin und schleudert „deutliche Bitten“, „dringliche Appelle“ und „deutliche Appelle“ gen Osten, ja sie fordert mit Macht eine „politische Lösung, mit der beide Seiten leben können“, und man muß befürchten, sie meine das ernst.

Aber haben wir nicht prachtvoll gelebt all die Jahre? Haben wir nicht unser ganzes Geld mit Karacho verjuxt für Teerhofbrücken, Grunaupleiten, Congress Centren und Wirtschaftsförderungsgesellschaften,bis endlich die Kunsthalle mit all ihren Schätzen glorios verlottert war? Aber jetzt wollen wir umso dringlicher und deutlicher noch viel mehr von diesen Bildern, ja wir können wieder einmal kaum mehr leben ohne die verlorenen Ostgebiete unseres Kunstbestandes.

Die Wahrheit ist, daß sie natürlich keinem Menschen ernstlich fehlen, so wie sich der Rest der Welt daran gewöhnt hat, daß seine Masken, Statuen, Tempelschätze, Mumien und „Baströckchen“ (Kulturstaatsrat Schwandner) unverrückbar in deutschen Museen lagern. Niemand will dringlich und deutlich die Bilder, und schon gar nicht die Kunsthalle, die nicht einmal wüßte, wohin damit, weil es ihr eh schon durchs Dach hereinregnet. Aber der Russe soll sie eben auch nicht haben, denn solange er sie hat, hat der Faschismus Folgen gehabt.

In der Sprache der Senatorin heißt das: „Wenn wir das europäische Haus bauen wollen...“ usw., wobei sie genau weiß, daß in der politischen Semantik die „deutliche Bitte“ und der „dringliche Appell“ nur die vornehmste Form ist, den europäischen Zaunpfahl zu zeigen.

Wer aber behaupte, die bremischen Forderungen seien „moralisch nicht vertretbar“, verharre „in der Logik des Hasses und des Kalten Krieges“, sagt sie. Ja freilich! In Wahrheit braucht man da nur das Einmaleins der Geschichte, welches den Rechtsnachfolgern eines Kriegsverbrecherstaates empfiehlt, den Schnabel nicht gar zu weit aufzureißen.

Selbst wenn man von den Toten jemals schweigen möchte: Der Reichtum des neuen Deutschland beruht unter anderem auf dem, was die Deutschen Heere Ost zusammengeraubt haben, und auf dem, was hunderttausende russischer Zwangsarbeiter erschuftet haben. Um etwaige Reparationsleistungen hat sich Deutschland, mit Ausnahme der DDR, so gut wie herumgedrückt. Jetzt haben allerdings die Russen noch die Bilder. Da wäre man schön blöd, wenn man sie ihnen schenken würde, was das einzig Anständige wäre. Aber haben wir uns dafür eine grüne Senatorin geleistet, daß sie nun mit den Wölfen säuselt? Manfred Dworschak

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