: PDS-Sieg treibt SPD in Große Koalitionen
■ Kooperation der SPD mit der PDS nur auf kommunaler Ebene / FDP: „Verbrüderung“
Berlin (taz) – Schlechtes Omen für Rot-Grün – auch in den neuen Ländern. Hatten sich SPD und Bündnisgrüne vor dem letzten Wochenende schon mal auf gemeinsame Koalitionen in Sachsen- Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet, sieht es nach den Europa- und Kommunalwahlen nicht mehr danach aus, als fände das „sozial-ökologische Reformprojekt“ bei den bevorstehenden Landtagswahlen im Osten parlamentarische Mehrheiten. Legt man die jüngsten Wahlergebnisse zugrunde, sind überhaupt nur noch zwei mehrheitsfähige Konstellationen in Sicht: Große Koalition oder Regierungsbildung unter Einschluß der PDS.
Reinhard Höppner, bis vor kurzem noch aussichtsreicher Anwärter auf den Ministerpräsidentensessel in Magdeburg, hat auf die neuen Perspektiven umgehend und erwartungsgemäß reagiert: eine Zusammenarbeit mit der PDS komme auf Landesebene für seine Partei nicht in Frage. Wenn die Landtagswahl am 26. Juni keine andere Koalitionsmehrheit erbringe, werde man einem Bündnis mit der PDS auf jeden Fall die Koalition mit der CDU vorziehen. Auch Harald Ringstorff, SPD-Anwärter für den Chefsessel in Schwerin, ließ gestern keine Zweifel aufkommen, daß die SPD ein Bündnis mit der SED-Nachfolgepartei strikt ablehnt.
Die schnellen Reaktionen der SPD-Spitzenkandidaten aus dem Osten können kaum überraschen. Noch schockiert von den mäßigen eigenen Stimmenzuwächsen und den satten der PDS, sehen die Sozialdemokraten schon einen neuen Wahlkampfhit der Bonner Regierungsparteien auf sich zukommen: FDP-Generalsekretär Hoyer wirft der SPD „Verbrüderungstendenzen“ mit der PDS vor. Mecklenburgs Ministerpräsident Seite fordert Rudolf Scharping dazu auf, seiner Partei den „Schmusekurs“ mit der PDS zu untersagen.
Den Vorwand für die öffentlichkeitswirksamen Warnungen an die SPD hatte tags zuvor der stellvertretende Parteichef Wolfgang Thierse geliefert. Er hatte allerdings nur laut gesagt, was längst zur politischen Praxis gehört: Eine Kooperation mit der PDS auf kommunaler Ebene könne nicht aus prinzipiellen Erwägungen heraus abgelehnt werden. Auf Landes- und Bundesebene gelte die Absage an ein Bündnis mit der PDS. Konter Hoyer: wer jetzt auf kommunaler Ebene kungele, werde mit der PDS schon bald auch auf Landesebene zusammenfinden.
Auf „örtlicher Ebene“ schließt auch Ringstorff die Kooperation mit den Postkommunisten nicht aus. Es sei legitim, daß ein SPD- Landratskandidat auf der Suche nach Mehrheiten auch mit der PDS spreche. Schließlich habe auch die Union in Brandenburg zwei ihrer Landratskandidaten mit PDS-Stimmen wählen lassen. Als „schlicht hinterfotzig“ bezeichnete gestern SPD-Bundesgeschäftsführer Verheugen den Versuch, die SPD in die Nähe der PDS zu rücken. Zwischen beiden gebe es keine politischen Gemeinsamkeiten. Doch wolle die SPD auch nicht verantwortlich dafür sein, daß Kommunen „unregierbar werden“. Wie allerdings die SPD bei den Landtagswahlen aus der Ost- Zange zwischen Union und PDS entkommen will, bleibt offen. „Profil schärfen“ lautet derzeit die Sprachregelung. Matthias Geis
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