: Versorgung ohne Reize
■ Ein eigenes Homo-Magazin ist im deutschen Fernsehen undenkbar
„Wir müssen Reizeffekte reduzieren“ – mit dieser abenteuerlichen Begründung kippte vor nunmehr gut einem Jahr der ehemals „alternative“ Berliner Kabel-TV- Sender FAB die beiden professionellen Homo-Magazine „Läsbisch TV“ und „Andersrum“ aus seinem Programm. Sowas mochte man konservativen Werbekunden nicht mehr zumuten. Auch erhoffte sich FAB die Zuweisung einer Antennenfrequenz – mit Erfolg, wie sich herausstellte.
Ein Fall, der noch heute symptomatisch ist für den Umgang des deutschen Fernsehens mit Lesben und Schwulen: Solange die „bunten Vögel“ auf der Mattscheibe ZuschauerInnen und WerbekundInnen nicht vergrätzen, solange Quote und Image des Senders nicht beeinträchtigt werden, können sie tun und lassen, was sie wollen. Sensibel reagieren die Sender jedoch bei „Überreizung“. Zum Beispiel RTL: Vor gut zwei Jahren bastelten die Kölner Fernsehmacher gemeinsam mit dem Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim an einem Schwulen- Magazin. Doch kurz vor Sendestart trat Praunheim seine Outing-Kampagne los, verquasselte sich in einem Interview – RTL setzte ihm den Stuhl vor die Tür.
Ihnen gleich taten's die Intendanten der ARD. Die verhängten gar ein Auftrittsverbot für Plapperpapst Praunheim. Und wie's scheint, nicht nur für ihn. Denn während die Kollegen vom ZDF im vergangenen Sommer erstmals in der Sendergeschichte eine schwule Filmreihe ausstrahlten (in diesem Jahr gibt's ähnliches auf 3 sat), wurde Vergleichbares in den vergangenen Monaten im Ersten der ARD nicht gesichtet. Ausnahme: die Sitcom „Durchgehend warme Küche“.
Ein schlechtes Gewissen ob des dabei unerfüllt bleibenden Grundversorgungsauftrages plagt die Koordinatoren der ARD nicht, wie Äußerungen des NDR-TV-Chefs Jürgen Kellermeier stellvertretend beweisen: „Der Grundversorgungsauftrag bezieht sich auf die Gesamtheit der Zuschauer, nicht auf einzelne Gruppen.“ Kellermeier geht davon aus, „daß alle unsere Sendungen für ein großes und vielfältiges Publikum interessant sind – unabhängig davon, welche Form der Sexualität die Zuschauer jeweils repräsentieren und praktizieren.“
Einzig SFB und ORB sehen einen gewissen Homo-Handlungsbedarf. So könnte sich SFB-Programmreferent Josef Ernst für das lokale Berliner B 1-Programm durchaus eine schwule Sendung im Stile von „Andersrum“ vorstellen. Doch achselzuckend verweist er aufs fehlende Geld. Auch der ORB in Potsdam steht einer Homo-Sendung nicht pauschal ablehnend gegenüber, doch im Gegensatz zu seinem DDR-bürgerbewegten Fernsehdirektor Michael Albrecht möchte sich Intendant Hans-Jürgen Rosenbauer nicht mit Homo-Federn schmücken.
Die kommerzielle Konkurrenz behauptet, schon ein Stückchen weiter zu sein. Schließlich bemühe man sich, Lesben und Schwule ins Programm zu „integrieren“. Allerdings findet das hauptsächlich im Unterhaltungsbereich statt, Hella von Sinnen und Dirk Bach lassen grüßen. Pro 7, so Sprecherin Angelika Cyllok, versuche mit all seinen Sendungen, die lesbisch-schwulen ZuschauerInnen mit anzusprechen, die schließlich ja auch Bestandteil der Pro 7-Zielgruppe seien. Neuester Coup: Ab Juli strahlt der Kirch-Sender das Erotikmagazin „liebe sünde“ aus. Sat.1 behandele das Thema Homosexualität „immer wieder ausreichend“ in seinen aktuellen Magazinen, meint Sat.1-Sprecherin Nicole Fabian. Auch Marktführer RTL folgt dem Trend zur „Integration“ lesbisch-schwuler Themen, wie dessen Sprecher Andreas Seitz bestätigt. Negativ beantwortet RTL-Seitz hingegen die Frage, ob Homosexuelle im Programm ausreichend repräsentiert seien.
So bleibt Lesben und Schwulen weiterhin nur der Offene Kanal. Und einzig der Berliner Schauspieler David Wilms, der „Andersrum“ mit aus der Taufe hob, putzt seit Monaten zusammen mit einer Produktionsfirma Klinken bei den professionellen TV-Stationen. Konkrete Erfolge kann Wilms noch nicht verkünden. Man könne jedoch davon ausgehen, daß die erste Reihe von ARD und ZDF nicht die neue Heimstatt für das Homo-Magazin sein werde. Frank Sturm
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