: Hagi gegen Higuita
■ Kolumbien — Rumänien 1:3
Wenn Trainer träumen, dann stellen sich die besseren unter ihnen Fußball vor, wie ihn die Kolumbianer zelebrieren. Mit einem pusteblumenköpfigen Carlos Valderrama, Amerikas Fußballer des Jahres, zwei Stürmern, Asprilla und Valencia, einem eng mit dem Ball befreundeten Mittelfeldler Rincón, der leider nicht genau weiß, wo das Tor steht, und, traditionsgemäß, einem etwas chaotischen Torwart.
Das exzellente Kurzpaßspiel der Kolumbianer hat nur einen gravierenden Nachteil. Die Spieler vergessen im Hochgefühl ihrer eklatanten Feldüberlegenheit, daß es sich zum Beispiel bei den Rumänen Gheorghe Hagi oder Florian Raducioiu keineswegs um Stümper in ihrem Gewerbe handelt. So kam es, daß der erklärte WM-Favorit (von Leuten wie Pelé, César Luís Menotti oder Gabriel Garcia Marquéz) trotz durchtrieben herausgespielter Torchancen im ersten Match gehörig baden ging.
Adolfo Valencia (Bayern München) fühlte sich zwar in seinem Nationalteam wie neugeboren, doch außer seinem Kopfballtor in der 43. Minute sprang nichts heraus. Asprilla dribbelte wie ein dreifacher Häßler, versagte aber im Abschluß, und an Effektivität erwies sich der dynamische Rumäne Hagi, seit langem einer der besten Mittelfeldspieler Europas, seinem Pendant Valderrama überlegen. Immer wieder setzte er sich im Mittelfeld durch, gab Raducioiu die Vorlagen zum 1:0 (16.) und 3:1 (89.) und schoß das 2:0 selber, wobei ihm zupaß kam, daß er wohl glaubte, bei Kolumbien stehe noch Higuita im bzw. weit vor dem Tor. Über den Haarschnitt dürfte er sich gewundert haben, aber vermutlich hatte auch Hagi gelesen, daß René Higuita wegen Vermittlung in einem Entführungsfall im Knast war und man ihm dort die lange Mähne scheren wollte, was er allerdings per Hungerstreik verhinderte.
Das wiederum scherte Hagi wenig, der emsig versuchte, den kolumbianischen Keeper mit Hebern zu überlisten, was ihm beim zweiten Mal vorzüglich gelang, da eben nicht Higuita, der in solchen Fällen stets rechtzeitig auf der Linie stand, sondern Cordoba das Tor hütete. Bis zuletzt hatte der langhaarige Torwartlibero aus Medellín gehofft, mit in die USA fahren zu können, doch auch Kolumbiens großer Schriftsteller Garcia Marquéz unterstützte die Entscheidung, Higuita wegen seiner Verbindungen zu den Drogenkönigen seiner Heimatstadt zu Hause zu lassen. „Mit Higuita wäre das Team zur Mannschaft der Drogenmafia gestempelt worden“, meint Garcia Marquéz, ohne ihn sei der Weg zur Rehabilitation offen. „Je mehr Tore wir schießen, desto weniger reden die Leute von Drogen.“ Matti Lieske, Pasadena
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